Samstag, 21. Dezember 2024
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Tagesschau.de / Ibiza-Video: Wer gab den Auftrag?

Die Villa in Ibiza / Bildmontage: EU-Infothek

Der ARD hinterfragt in der Nachrichtensendung tagesschau.de, wer dazu in der Lage ist ein politisches Erdbeben wie in Österreich auszulösen? Im Mittelpunkt der Berichte steht derzeit ein Anwalt, die Frage nach den Hintermännern bleibt.

Neben dem Inhalt des Ibiza-Videos beschäftigt viele Menschen die Frage, wer das Video in Auftrag gab, wer es angefertigt und am Ende lanciert hat. Schließlich werden damit kurz vor der Europawahl Politik und Öffentlichkeit über Österreich hinaus beeinflusst.

Am Inhalt der veröffentlichten Videosequenzen fällt auf, wie vertrauensselig sich Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus gegenüber der vorgeblichen Oligarchennichte und ihrem Begleiter gaben. Strache traf sie nach eigenem Bekunden in der Villa zum ersten Mal. Sie habe sich als lettische Staatsbürgerin und Nichte eines russischen Oligarchen ausgegeben, der Putin nahe stehe.

Als Strache doch Zweifel äußerte, so geht es aus Medienberichten über das Video hervor, beschwichtigte Gudenus ihn. Erstaunlich ist, dass Gudenus mit seinen langjährigen Verbindungen nach Russland nicht aufgefallen sein soll, dass es eine Oligarchennichte namens Aljona Makarowa kaum geben kann. Zumindest stellte der russische Geschäftsmann Igor Makarow am Montag klar, dass er gar keine Nichte haben könne, denn er sei Einzelkind.

Pass und Beweis der Zahlungskräftigkeit

Gudenus war es, der zuerst kontaktiert worden war und dann das Treffen auf Ibiza anbahnte. Darauf wies Strache bereits in seinem Statement am Samstag hin. So wie er und Gudenus es später in Interviews mit Zeitungen wie der „Presse“ beschrieben, war der Kontakt zu ihm langfristig und auf Vertrauen angelegt.

Demnach erhielt Gudenus über eine befreundete Maklerin Kontakt zu einem Wiener Anwalt, als er auf der Suche nach Käufern für Grundstücke seiner Familie war. Dieser Anwalt wiederum berichtete von einer lettischen Bekannten, die mit ihren Kindern nach Österreich ziehen wollte und ein Grundstück suche.

Bei einem Treffen in seiner Kanzlei habe der Anwalt einen lettischen Pass mit dem Namen Aljona Makarowa und einen Beleg über die Einzahlung einer Geldsumme auf ein Treuhandkonto des Anwalts vorgelegt – als Beweis für ihre Zahlungskräftigkeit. Dabei gewesen sei ein Mann mit dem vorgeblichen Namen Julian Thaler, der sich als Besitzer einer Detektei in München vorstellte. Ihn und die vermeintliche Oligarchennichte habe Gudenus mehrfach getroffen, bevor es zur Verabredung auf Ibiza kam.

Weiter berichtet „Die Presse“, der Anwalt habe schon vorher wiederholt versucht, belastendes Material über FPÖ-Politiker in Umlauf zu bringen.

Zeitungen wie der „Kurier“ bezogen sich in ihren Artikeln auch auf Informationen der wenig bekannten Website eu-infothek. Deren Herausgeber Gert Schmidt bezeichnen österreichische Medien als Bekannten oder Freund von Gudenus sowie als Kämpfer gegen illegales Glücksspiel. Schmidt erklärte dem ARD-Studio Wien wiederum, dass er Gudenus vor einem Treffen mit ihm nicht gekannt habe.

Wer waren Drahtzieher und Auftraggeber?

Während der Anwalt und der Mann von der Detektei im Moment in den Mittelpunkt gerückt werden, bleibt offen, wer Drahtzieher und wer Auftraggeber war. Auch wenn eine Luxusvilla, teure Autos und Minikameras heutzutage leicht zu beschaffen sind, sprechen die langfristige und aufwändige Anbahnung für einen professionellen Hintergrund.

Aufgrund der Professionalität und der Skrupellosigkeit wurden Geheimdienste ins Spiel gebracht, nicht zuletzt von Strache selbst und von Kanzler Sebastian Kurz. Der ehemalige Vizepräsident des BND, Rudolf Adam, fügte im „Cicero“ Argumente zusammen, die ihn zu dem Schluss veranlassten, der israelische Geheimdienst habe die Möglichkeiten, das Personal, die Kontakte und das Motiv, eine solche Aktion auszuführen.

Dies warf zahlreiche Gegenfragen auf: Interessiert sich Israel überhaupt für österreichische Politik? Außerdem kokettiert Premier Benjamin Netanjahu doch mit europäischen Rechtspopulisten – so empfing er 2018 Ungarns Regierungschef Viktor Orban.

Eine Schlüsselfigur unter den Rechtsnationalisten

Die Frage nach der Bedeutung Straches stellt sich insofern doch, als er eine federführende Rolle bei den Bemühungen um den Aufbau einer rechtsnationalistischen Allianz in Europa hatte. Gerade am vergangenen Wochenende hatte Italiens Innenminister Matteo Salvini zu einem europaweiten Treffen der Rechtsnationalisten nach Mailand eingeladen, zu dem Strache dann nicht mehr erschien.

Doch gab sich Strache in den vergangenen Jahren dezidiert freundlich gegenüber Israel. So finden sich Tweets, in denen er Israel zum 70. Jahrestag der Staatsgründung oder zum Sieg beim Eurovision Song Contest gratuliert. Auch besuchte er als FPÖ-Funktionär Israel.

Wie ernst er es allerdings mit seiner Verbundenheit zu Israel meint, ist fraglich: 2012 berichtete die „Zeit“ über eine Aussage von Straches Vorgänger Jörg Haider, wonach Strache ihm seine Strategie verraten habe: „Wenn uns die Juden akzeptieren, dann haben wir keine Probleme mehr.“ Hinzu kommen antisemitische Ausfälle in Straches FPÖ wie das „Rattengedicht“ vor wenigen Wochen.

Russisches „Kompromat“?

Auf den ersten Blick wirkt es ebenfalls nicht naheliegend, dass ein russischer Geheimdienst hinter der Aktion steht, denn schließlich setzten sich Strache und Gudenus sehr für die Belange Russlands ein.

Doch Russlandexperten wie Fiona Hill beschreiben, dass die russische Führung darauf bedacht ist, sich die Loyalität ihrer Verbündeten zu sichern, und zwar nicht über Freundschaft, sondern über Druckmittel, „Kompromat“ genannt. Die Beschaffung kompromittierenden Materials war schon eine Spezialität des sowjetischen KGB. Immer wieder gelangen Videos von in Misskredit geratenen Personen oder Oppositionellen in die Öffentlichkeit, die vergleichbar sind mit jenen Aufnahmen von Strache und Gudenus.

Nicht immer wird solches Material für den eigentlichen Zweck eingesetzt. Es kann in die Hände von Personen geraten, die ihren Gegnern schaden oder damit Geld verdienen wollen. Nicht zuletzt mutmaßen einige Fachleute, dass sich Ex-Geheimdienstleister für den Job anheuern ließen. Es gebe in Europa einen regelrechten „Erpressungsmarkt“, sagt etwa der Experte Anton Schechowtsow.

Existenz eines Videos seit Längerem bekannt

Die „Zeit“ berichtet nun, das Video sei vor einem Jahr für eine siebenstellige Summe angeboten worden. Zwischenhändler hätten testen wollen, ob es für die Aufnahmen einen Markt gebe.

Vor Ostern hätten sie sich dann an den Komiker Jan Böhmermann gewendet, der am 17. April mit Andeutungen darauf aufmerksam gemacht hatte.

Die Angaben der „Zeit“ decken sich mit Aussagen von Florian Klenk, Chefredakteur des österreichischen Magazins „Der Falter“: Seit etwa einem Jahr habe es in der journalistischen und politischen Szene Wiens Gerüchte über ein Video gegeben. Eine Person habe ihm die Szenerie des Videos beschrieben, sagte Klenk dem Sender ORF. Er selbst habe das Video aber erst knapp eine Woche vor der Veröffentlichung gesehen, als ihn die „Süddeutsche Zeitung“ dazu eingeladen habe. Geld sei nicht gezahlt worden, betont Klenk, nicht von Journalisten und auch sonst wisse er nichts über Zahlungsflüsse.

Ob die Hintermänner gefunden werden oder nicht, ein Problem bleibt: Die Korrumpierbarkeit von Politikern. So schrieb der Experte Mark Galeotti am Montag in der „Moscow Times“: Korruption und Populismus seien die Schwäche des Westens, nicht Russlands Erfindung.

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