Hart ins Gericht mit den sogenannten Banken-Stresstest der EU geht der an der Uni Linz lehrende Schweizer Finanzwissenschafter Prof. Teodoro Cocca. Größere Anstrengungen wären für den Experten auch bei der Reduktion der Staatsschulden in Europa notwendig.
[[image1]]Ist die ab November 2014 unter dem Dach der EZB geplante Bankenaufsicht für die 130 wichtigsten Geldhäuser Europas ein geeignetes Instrument, um künftig zu verhindern, dass EU-Staaten vor der Pleite stehende Banken auffangen müssen, schließlich werden die Bilanzen ja nur im Nachhinein geprüft?
Grundsätzlich wird sich das noch weisen müssen. Ich bin sehr skeptisch, ob das wirklich gelingen wird. Aufsichtsbehörden haben vor und während der Finanzkrise mehrheitlich versagt und nun sollen uns die gleichen Köpfe vor der nächsten Krise bewahren. Zweifel erscheinen mir angebracht. Ich denken nicht, dass im Sinne der Prävention oder Früherkennung die Bankenunion eine Verbesserung bringt. Wenn, dann wohl nur bei der Abwicklung von Problemfällen. Das ist auch der eigentliche Grund, dass die Bankenunion als Projekt so schnell realisiert wurde. Es sind vor allem die Peripheriestaaten, die sich dadurch eine solidarischere (und damit billigere) Rettung ihrer Banken erhoffen.
Zeigt nicht gerade der Fall der Kärntner Hypo, dass die Aufsichtsbehörden oftmals zahnlos sind, sonst hätten sie bei der mittlerweile verstaatlichten Bank längst eingreifen müssen?
Ja, der Hypo-Fall ist ein Musterbeispiel für das Versagen der Aufsichtsbehörde und der Verwicklung von politischen und wirtschaftlichen Interessen in einer Bank. Diese Kombination ist immer Gift für eine Bank.
Künftig soll die Messlatte für Banken beim so genannten Stresstest mit einer Kernkapitalquote von sieben Prozent höher gelegt werden. Sind damit die betroffenen Kreditinstitute ausreichend krisensicher oder bedarf es noch strengerer Kriterien?
Das ist eine minime Verschärfung der Messlatte. Würde man wirklich die systemrelevanten Banken sicherer machen, dann müsste die minimal zu erfüllende Kernkapitalquote deutlich höher sein. Solange zudem europäische Staatsanleihen technisch unter BASEL III als risikolos betrachtet werden, erübrigt sich wohl jegliche Diskussion über die Seriosität der Bankentests.
Was halten Sie von der Idee, Großbanken in Investment- und Geschäftsbanken aufzuspalten, um Bankpleiten zu verhindern?
Die Finanzkrise hat gezeigt, dass eine Aufspaltung keine Lösung der Problematik darstellt. Die Bank Lehmann war ja eine reine Investmentbank. Die Gefährdung des Systems hat damit zu tun, dass Bankenkolosse das Finanzsystem gefährden. Banken sind schlichtweg zu groß geworden. Und zweitens sind diese Bankenkolosse aufgrund der Investitions- und Finanzierungsflüsse engstens miteinander verbunden. Eine Trennung der Banken in Investment- und Geschäftsbanken würde an diesen beiden Problemen kaum etwas ändern. Vielmehr müsste Größe für eine Bank mit deutlich höheren Kapitalkosten verbunden sein, dann würde sie den Anreiz haben, sich gut zu überlegen, ob und wie sie wachsen möchte.
Die Finanz- und Schuldenkrise in der EU hat sich entspannt – Irland will schon bald den Rettungsschirm verlassen. Werden Griechenland und andere Problemländer ohne einen weiteren Schuldenschnitt ihre finanziellen Probleme überwinden können, schließlich werden die Zinsen nicht ewig so niedrig bleiben?
Griechenland ist noch nicht über den Berg – es ist wahrscheinlich, dass Griechenland nochmals ein Rettungspaket braucht. Bei den anderen Krisenländern ist das sehr davon abhängig, wie die Regierungen die strukturellen Maßnahmen umsetzen und wie sich die Finanzmärkte verhalten werden. Verloren sind sie noch nicht, aber gelöst haben sie ihre Probleme auch noch nicht wirklich.
Industriestaaten drücken sich vor Erneuerung der Wirtschaftspolitik
Wie schätzen Sie die mittel- und langfristigen Auswirkungen des langwierigen Budgetstreits in den USA ein, der schon im Februar neuerlich ausbrechen könnte?
Schulden sind momentan das zentrale Thema der entwickelten Volkswirtschaften – das ist das Hauptthema dieses Jahrzehnts. Der politische Umgang mit diesem Schuldenberg ist weitestgehend unter den Tisch gekehrt worden. Man drückt sich in den USA, in Japan, in Italien, Spanien und Frankreich vor echten strukturellen Reformen und einer Erneuerung der Wirtschaftspolitik. Ebenso ist das demokratische System herausgefordert, weil es dem Wähler schwer fällt, Politiker zu wählen, die eine Reduktion des Schuldenberges durch Sparmaßnahmen versprechen. Demokratisch einfacher scheint die Lösung der Schuldenproblematik über negative Realzinsen. Das wird aber nicht reichen.
Experten warnen vor negativen Folgen eines dauerhaft niedrigen Leitzinses, weil sich Banken kurzfristig günstig bei der EZB finanzieren und das Geld langfristig in riskante Projekte investieren könnten. Ist diese Sorge berechtigt?
Die EZB ist meiner Meinung nach in dieser Frage nicht das größte Übel, denn die Gelder aus den EZB-Tendern werden kaum als Investitionskapital genutzt. Eine größere Rolle spielt eher die FED, welche den Markt massivst mit Liquidität versorgt. Die Preisbewegungen in den Schwellenländern in den letzten Wochen haben deutlich gezeigt, dass die Geldschwemme in der Tat zu Verzerrungen geführt hat. Inwieweit dies zu echten spekulativen Blasen geführt hat, deren Platzen das Finanzsystem wieder gefährden könnte, wird auch davon abhängen, wie sich das FED wieder von der ultra-lockeren Geldpolitik verabschieden wird. Die letzten Wochen haben in dieser Hinsicht eher verstörende Signale gesandt.
Wie sehen Sie generell die Rolle der obersten Währungshüter Europas in der Finanz- und Schuldenkrise?
Die EZB hat sich trotz aller Kritik bisher sehr geschickt und erfolgreich in der Krise bewegt. Sie war die letzte Bastion innerhalb der europäischen Institutionen und konnte ihrer Rolle gerecht werden, indem sie die Finanzmärkte beruhigen konnte. Der Ball liegt aber nun bei der Politik. Sie muss die Probleme lösen. Mir scheint, dass der Reformeifer stark nachgelassen hat, man hofft, dass das Schlimmste vorbei sei und man langsam wieder zu alten Gewohnheiten zurückkehren könnte. Die Staatsverschuldung steigt ja weiterhin sehr fleißig innerhalb der Eurozone – bemerkenswert und beängstigend.
Sie sind ein Kritiker der geplanten Finanztransaktionssteuer in mehreren EU-Ländern. Gäbe es andere Möglichkeiten, um schädliche Spekulationsgeschäfte einzudämmen?
Die Frage ist, was genau schädliche Spekulationsgeschäfte sind. Das meiste, was die EU-Politiker als schädliche Spekulation bezeichnen, ist wohl eher der politischen Eitelkeit zuzuschreiben. Die ungeschminkten Preissignale, welche die Politiker unverblümt kritisieren und abstrafen, würde man natürlich gerne unterdrücken. Besser wäre, die von den Märkten geforderte Disziplin in der europäischen Politik zu leben.