Nach Erwin Pröll in Niederösterreich hat auch Josef Pühringer in Oberösterreich die Führung des Bundeslandes in jüngere Hände gelegt. Im Interview mit der EU-Infothek spricht Thomas Stelzer (ÖVP), der am 6 . April als Landeshauptmann angelobt wird, über seine Pläne.
Sie haben einen guten Start als designierter Landeshauptmann von Oberösterreich hingelegt und der ÖVP wieder deutlich bessere Umfragewerte beschert. Hat sich Ihre Partei in der Vergangenheit zu wenig um die Themen Migration und Sicherheit gekümmert, die vor allem von der erstarkten FPÖ besetzt wurden?
Es ist eine Tatsache, dass die ÖVP viele Wähler in Richtung FPÖ verlassen haben. Das hat sicher damit zu tun, dass wir uns um Fragen, die die Leute bewegt haben, lange herumgedrückt haben – konkret bei der Integration und dem Zuzug von Ausländern. Da war es wichtig das Profil zu schärfen.
Oberösterreich steht wirtschaftlich im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht schlecht da, trotzdem werden neue Schulden gemacht. Wie lange noch?
Investitionen der öffentlichen Hand sind gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wichtig. Aber es muss auch wieder die Zeit der Konsolidierung kommen. Mein Ziel ist, keine neuen Schulden zu machen und Schulden abbauen. 2018 wird OÖ wieder ausgeglichen budgetieren.
Wo sehen Sie die größten Sparpotenziale und muss die Verwaltung noch schlanker werden – Stichwort Fusion von Gemeinden und Bezirkshauptmannschaften?
Zusammenlegungen sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Wir sind ein großes Land und wir müssen daher auch schauen, dass die Wege kurz bleiben. Zudem sind die Bezirkshauptmannschaften nahe am Kunden. Ich möchte in der Verwaltung auf Schwerpunktbildung setzen. Es muss nicht jede Bezirkshauptmannschaft alles können und bewältigen. Man kann Expertenpools bilden.
Die OÖVP ist nach wie vor am Land eine Macht, während es in Linz, Wels und Steyr nicht so gut läuft. Was sollten sich die dortigen Stadtparteien von Siegfried Nagel in Graz abschauen?
Es lässt sich keine Stadt in ihren Strukturen mit anderen vergleichen. In den Städten ist der Lebensstil ein ganz anderer als am Land. Wir müssen wieder mehr zu den Menschen gehen, ihnen zuhören und glaubhaft machen, dass es uns um sie geht, dass wir Politik für die Menschen machen.
Gute Kooperation mit der FPÖ, aber nicht überall einer Meinung
Ihre Partei hat mit der FPÖ auf Landesebene einige umstrittene Maßnahmen wie die Reduktion der Mindestsicherung umgesetzt. Gibt es Themen, bei denen die OÖVP mit den Freiheitlichen nicht auf einen Nenner kommt?
Wir arbeiten in Oberösterreich sehr gut zusammen, aber wir sind natürlich nicht überall einer Meinung.
Auch andere Landeshauptstädte haben Verkehrsprobleme, aber in Linz ist die Polarisierung Einwohner gegen Pendler besonders groß. Macht Ihnen das Sorgen?
Das ist ein sehr wichtiges Thema und ich kann auch die Sorgen der Einwohner verstehen. Aber es ist auch höchste Zeit, dass etwas geschieht, damit nicht nur die Pendler, sondern auch die Anrainer entlastet werden. Ein Gesamtkonzept und Kommunikation sind jetzt das Um und Auf. Ich bin für einen Mix aus Maßnahmen – straßenbaulichen Maßnahmen, aber auch im öffentlichen Verkehr, wie etwa den Ausbau von Park & Ride-Anlagen. Das Land unterstützt auch den Neubau der abgerissenen Brücke.
Kürzlich war der sechste Jahrestag der Fukushima-Katastrophe. Glauben Sie, dass der von Tschechien geplante Ausbau des grenznahen AKW Temelin noch verhindert werden kann?
Ich werde jedenfalls mit allem was in meiner Macht steht, gegen einen Ausbau ankämpfen.
Zuletzt hat es wieder Turbulenzen in der Bundesregierung gegeben. Gehen Sie davon aus, dass im Bund wie geplant 2018 gewählt wird mit ihrem Landsmann, Parteiobmann Reinhold Mitterlehner als ÖVP-Spitzenkandidaten?
Derzeit gehe ich von einem Wahltermin 2018 aus. Mitterlehner ist unser Parteichef und hat gezeigt, was er drauf hat, indem er dafür gesorgt hat, dass die Regierung wieder zu einem Arbeitsprogramm kommt. Wie wir uns bei einer Wahl aufstellen – wann immer die sein wird – werden wir gemeinsam entscheiden.
Umfragen zufolge würde die Volkspartei mit Sebastian Kurz als Spitzenkandidaten besser abschneiden. Ist die Partei hier in einem Dilemma?
Es ist sehr positiv, dass wir in der ÖVP über exzellente personelle Angebote verfügen. Wir werden das zum gegebenen Zeitpunkt gemeinsam entscheiden.
EU in manchen Bereichen nur noch eingeschränkt handlungsfähig
Der Außenminister hat kürzlich drastische Reformen für die EU gefordert. Diese soll kurz gesagt effizienter, schlanker und demokratischer werden. Hat er ihre volle Unterstützung?
Voll und ganz. Die EU agiert derzeit wie gelähmt. Ich kann auch der Idee eines Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten etwas abgewinnen.
Die EU hat nach wie vor keine Antwort auf die Flüchtlingsbewegungen, außerdem steht der Brexit an und in vielen Ländern erzielen Populisten mit einer Los-von-Brüssel-Politik Wahlerfolge. Wie kann die EU wieder in die Spur kommen und bei den Menschen mehr Zustimmung finden?
Zunächst stehe ich voll hinter der Europäischen Union. Sie hat uns nicht nur den Frieden, sondern auch viele wirtschaftliche Vorteile gebracht. Nun stößt sie aber an ihre Grenzen. Sie ist in manchen Bereichen nur noch eingeschränkt handlungsfähig. Es braucht dringend Reformen und eine Entbürokratisierung. Die EU muss sich jedenfalls um die großen Herausforderungen kümmern.
Mögliche Auftritte türkischer Politiker sorgen in Österreich für Unruhe. Wie verhindert man am besten, dass der dortige Wahlkampf in unser Land hineingetragen wird?
Das ist auf höchster diplomatischer Ebene bereits passiert. Ich halte das für richtig, auch wenn die Türkei wenig Verständnis zeigt. Ich plädiere dafür, dass man das Problem der illegalen Doppelstaatsbürger angeht. Ein Wahlkampf eines anderen Staates hat bei uns nichts verloren.