Die meisten EU-Institutionen sind sehr transparent und stellen Informationen über ihre Entscheidungen im Internet zur Verfügung. Aber die Bürger erreichen sie trotzdem nicht. Emotionale Details können hingegen die Massen mobilisieren. So erzeugte eine Falschmeldung, wonach die EU-Kommission Homöopathie verbieten wolle, solche Entrüstung im Internet, dass der Protest in Form einer Mail-Flut den Server der EU-Kommission lahmlegte.
[[image1]]Die Richtigstellung der EU-Institution hörten sich dann aber nur zwei Journalisten an, erzählte Autor Robert Menasse bei einer Diskussion im Haus der Europäischen Union in Wien. Die APA – Austria Presse Agentur lud in Kooperation mit der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament zur Veranstaltung „Big Data in der EU“.
Eine ähnliche Erfahrung wie Menasse konnte ein Diskussionsteilnehmer berichten: Dass die EU-Kommission offene Olivenölfläschchen verbieten wolle, hatte ihm sein Facebook-Netzwerk brühwarm serviert. Dass sie ihren Vorschlag zurückgezogen hat, nicht mehr.
Transparenz wird nicht genutzt
Transparenz führt nicht zu Information, muss auch ÖVP-EU-Abgeordneter Othmar Karas einräumen. Zwar sei sein Haus das transparenteste Parlament Europas und werde von der großen Mehrheit der Österreicher für wichtig erachtet, „aber trotzdem wissen die Menschen nicht, was wir tun“, zitierte er eine Studie von dieser Woche. Dabei sei jeder Schritt seiner Arbeit im Internet zu verfolgen. „Es gibt die Transparenz. Aber sie wird nicht genutzt“, beklagte Menasse.
Mehr geschrieben und diskutiert wird derzeit oft über Themen, die ohne Transparenz ablaufen, in „Dunkelkammern“ der Macht, wie sie Elisabeth Klatzer nennt, Vorstandsmitglied bei der regierungskritischen Organisation Attac. Etwa die Schaffung des Fiskalpaktes, des Europäischen Stabilitätsmechanismus oder die Bankenrettung. Das sind allerdings alles Themen, die zwischen den Mitgliedsländern ausgehandelt werden und nicht in EU-Institutionen, sind sich Klatzer und Karas einig. Wie genau die Ergebnisse zustande kamen, ist unklar, trotzdem wird viel darüber berichtet.
„Geheim“ – doch öffentlich zugänglich
In Summe ist „die grausame Datenflut“, wie es ORF-Korrespondentin in Brüssel Cornelia Primosch nennt, kaum mehr zu vermitteln. Dabei wird nach Beobachtung von Richard Kühnel, Vertreter der EU-Kommission in Wien, seit den Krisenmaßnahmen mehr über die EU berichtet und diskutiert. „Aber die Menschen haben das Gefühl, weniger informiert zu sein“. Am ehesten sei die EU wohl in Geschichten zu vermitteln. Wie jene von Menasse, der einige Monate in Brüssel gelebt und sich die EU-Institutionen aus der Nähe angeschaut hat: Die EU hat alle ihre Archive nach Florenz verlagert, bis auf die als „Geheim“ klassifizierten Dokumente. Diese blieben in Brüssel – und sind dort öffentlich zugänglich.