Donnerstag, 19. Dezember 2024
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Trump´s Amerika ist anders, als die Medien zeigen

Bild © CC0 Creative Commons, Pixabay (Ausschnitt)

Das Bild, das sich Europa von US-Präsident Donald Trump macht, wird in einem hohen Ausmaß von der Medienberichterstattung bestimmt. Wie aber sieht die Realität vor Ort aus?

Die Einladung des US-Präsidenten an den österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz zu einem Besuch im Weißen Haus in Washington, sorgte für ein ordentliches Rauschen im so genannten Blätterwald. In diesem Zusammenhang wurden gleich allerhand Mutmaßungen angestellt. So dass vor allem Trumps Berater das Treffen mit dem jüngsten Regierungschef Europa entriert hätten, weil dieser als ein Hoffnungsträger für eine Mitte-Rechts-Politik gilt, die auch im Interesse der USA liegt. Sehr wohl registriert man in Washington, dass die Berichterstattung in den europäische Medien eine Schlagseite hat, sprich, dass in Trump und seiner Politik ein weltpolitisches Sicherheitsrisiko gesehen wird, die USA sich statt weltoffen isolationistisch geben, ja man  nur noch darauf wartet, wann ein Impeachment-Verfahren gegen die Präsidenten eingeleitet wird. Tatsächlich dürfte man in der Umgebung des österreichischen Regierungschefs die Situation doch etwas differenzierter sehen. Und das kann die Begegnung Trump-Kurz durchaus interessant machen.

Dichtung und Wahrheit

In einigen österreichischen Qualitätsmedien ist gerade eine Diskussion losgetreten worden, die in dem Satz gipfelt, dass sich viele Medien eine eigene Wirklichkeit geschaffen hätten, diese wie mit Scheuklappen verfolgen und dabei übersehen, dass die gesellschaftliche Realität längst eine andere geworden ist. Kurzum, dass die öffentliche Meinung mit der veröffentlichten Meinung in Divergenz steht. Das zeigt sich auch am Beispiel der USA. Wendelin Ettmayer, langgedienter Diplomat, ehemaliger Abgeordneter, der noch aus der Schule von Alois Mock stammt, beschäftigt sich schon seit Jahren mit der amerikanischen Politik, ist alljährlich in den Staaten unterwegs, nicht nur um sich ein persönliches Bild über die Situation vor Ort zu machen sondern auch mit den politischen Experten jenseits des Atlantiks über politische Strömungen zu diskutieren. EU-Infothek hat mit ihm ein ausführliches Gespräch geführt, in dem doch ein etwas anders Bild über die USA in der Ära Trump gezeichnet wird.

Unzufriedenheit im Lande

Das zeigt sich bereits bei der Frage, was sich denn unter Trump gegenüber Obama und Clinton geändert habe. Ettmayer kurz und bündig: Innenpolitisch einiges, außenpolitisch wenig. Und er rückt gleich auch gewisse Sichtweisen zurecht, indem er darauf verweist, dass die Entscheidungen, die amerikanische Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen oder das Iran- Abkommen zu kündigen, als innenpolitische Entscheidungen gewertet werden müssen. Warum? Weil dadurch ein beachtlicher Teil der Wähler zufrieden gestellt werden soll. Und dass er innenpolitisch einiges anders macht, dafür hat er einen Auftrag seiner Wähler erhalten. Immerhin wurde er gegen das gesamte Establishment des Landes gewählt: gegen die Führungsschicht in der eigenen Partei; gegen die Demokratische Partei; und gegen führende Medien des Landes. Wenn aber jemand gegen so viel Widerstand von oben dennoch die Oberhand behält, dann heißt das wohl, dass die Unzufriedenheit im Lande sehr groß sein muss und in wesentlichen Bereichen eine andere Politik verlangt wird.

Weiße Arbeiterschaft in der Defensive

Und tatsächlich, so Ettmayer, herrscht im Lande in weiten Kreisen große Unzufriedenheit. Auslöser ist die durch Freihandelsabkommen ermöglichte schrankenlose Globalisierung, von der die USA besonders stark betroffen ist und die daher gewisse Abschottungsmaßnahmen erklärlich macht. Zahlen machen die durchaus dramatische Situation verständlich, so ist im Land der einstmals unbegrenzten Möglichkeiten die Zahl der Arbeitsplätze in der Industrie von 1980 bis 2015 von 18 Millionen auf 12 Millionen zurückgegangen. Betroffen waren vielfach weiße Arbeiter aus dem Mittleren Westen, die damit mit dem Abstieg aus dem Mittelstand bedroht waren. Dass Hillary Clinton schon  im Vorwahlkampf 2008 Obama vorwarf, er würde zu wenig für die „weiße Arbeiterschaft“ tun und dass viele von denen, die bisher massiv gegen hemmungslose Globalisierung und Freihandelsabkommen auftraten, jetzt gegen entsprechende Maßnahmen sind, wenn sie von Donald Trump gesetzt werden, gehört wohl zu den Eigenheiten der Geschichte, die schwer zu erklären sind.

Illegale Immigration ein Langzeitthema

Auch die Diskussion um den Mauerbau gegenüber Mexico muss unter dem Aspekt der Migrationswelle gesehen werden, stellt der USA-Kenner fest. Tatsache ist nun einmal, dass in den letzten Jahren 12 Millionen illegaler Einwanderer in die USA kamen, sich hier niedergelassen haben und Arbeit suchen. Was die illegale Immigration betrifft, so ist diese schon seit Jahrzehnten ein heißes Thema. Und wurde nicht erst von Trump aufs Tapet gebracht. Schon 2006 wurde ein „Security Fence Act“, damit verbunden der Bau einer 1125 km langen Grenzbarriere zu Mexiko beschlossen. 6000 Mann der Nationalgarde wurden zusätzlich eingestellt. Selbst Paul Krugman, Nobelpreisträger und heute führender Trump- Kritiker hat damals geschrieben, die illegale Einwanderung könne so nicht weitergehen, zu viele Arbeiter in den USA würden dadurch einer illegalen Konkurrenz ausgesetzt. Die illegale Einwanderung ging weiter und damit hat Donald Trump bei vielen Wählern Anhänger gefunden.

Bilateral vor International

Außenpolitisch hat sich unter Donald Trump wenig geändert, ist eine weitere Schlussfolgerung Ettmayer. Zudem müsse man hier auch die Realitäten des Machtapparates zur Kenntnis nehmen, die zeigen, dass die Möglichkeiten des US-Präsidenten durchaus auch Grenzen haben. Als er zu Beginn seiner Amtszeit zunächst erklärt hatte, die NATO sei „obsolet“ und Amerika brauche bessere Beziehungen zu Russland, so wurde ihm dieser Politik sehr rasch ein Riegel vorgeschoben. Und zwar vom so genannten „deep state“, also von jenen, die das Land wirklich regieren. Und das sind Pentagon, die Rüstungsindustrie, CIA und FBI. Die Folge davon war eine gewisse kleine Kurskorrektur. Die Vereinigten Staaten beanspruchen durchaus weiterhin ihre Führungsrolle in der Welt, Trump setzt aber etwas mehr bilaterale als multilaterale Akzente. Dazu gehören zum Beispiel die Gespräche mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un.

Weltweite militärische Präsenz

Bleibt noch die Frage, ob die USA isolationistisch, geworden sind, sich das Land aus der Welt zurückgezogen und seine Führungsrolle aufgegeben hat. So wird Trump vorgeworfen, er würde die „bisher unbestrittene Führungsrolle“ seines Landes aufgeben und diese anderen, etwa China, überlassen. Ettmayer korrigiert diese Kommentierung: Von einer Selbst- Isolierung der USA, also von einem Rückzug aus der Welt, kann angesichts der gegebenen Situation wohl nicht die Rede sein. Immerhin unterhalten die Vereinigten Staaten derzeit 622 Militärbasen auf der ganzen Welt; haben 240 000 Soldaten in 172 Ländern stationiert. Zusätzlich sind 37 813 Soldaten in geheimen Missionen eingesetzt. Ein Rückzug sähe anders aus.

Eigeninteresse stand immer im Vordergrund

Und was den verbalen Schlachtruf „America first“ betrifft, so hat noch jede amerikanische Regierung der letzten 120 Jahre so gehandelt, dass amerikanische Interessen absolut im Vordergrund standen. Auch die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene internationale Ordnung diente vor allem amerikanischen Sicherheit- und Wirtschaftsinteressen; Kriege wurden ohne Rücksicht auf Freund und Feind geführt; und die Bindung Dollar an das Gold wurde ohne Konsolidierung anderer durchgeführt. Ja selbst der eher linke Präsidentschaftskandidat George McGovern ist 1972 mit dem Slogan „Bring America back“ angetreten. Grundsätzlich war den Vereinigten Staaten die eigene Souveränität stets wichtiger als die Einbindung in internationale Organisationen oder zwischenstaatliche Verträge: die USA sind demnach nie dem in Kyoto unterzeichneten Umweltabkommen beigetreten, sie haben die Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs bekämpft und zahlreiche UNO Konventionen, etwa jene hinsichtlich der Kindersoldaten oder der Frauenrechte, nie ratifiziert.

Die Schlussfolgerung, die Ettmayer zieht, ist daher sehr einfach: Wie auch immer, die Europäer sind sicherlich gut beraten, sich auf ihre eigenen Stärken zu besinnen und dort im eigenen Interesse zu handeln, wo es um die Interessen unserer Bürger geht. Genau genommen hatte man von Brüssel angefangen in allen europäischen Hauptstädten nach der Wahl Trumps großspurig erklärt, dass dies ein „Weckruf für Europa“ sei. Die Frage ist nur, wo blieb dieser Weckruf?

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