Sonntag, 22. Dezember 2024
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Ukraine: Die Wiener Friedens-Pläne

Österreichs Bundesregierung zeigt sich wild entschlossen, im Konflikt Ukraine gegen Russland den Part des Friedensstifters zu übernehmen. Das ist an sich eine großartige Idee, weil die Republik in außenpolitischer Hinsicht seit Jahrzehnten ohnedies kaum aufgefallen ist.

[[image1]]Zuletzt hatte es Bruno Kreisky, der den damaligen Palästinenserführer Jassir Arafat und Libyens Revolutionsführer Muammar Gaddafi ständig abzubusseln pflegte, mit seinen teilweise schrägen Missionen noch geschafft, im Ausland großflächig Beachtung zu finden.  Das peilt nun offenbar auch Werner Faymann an.  Der Kanzler hatte in der Causa Nummer Eins bereits einmal mit Wladimir Putin telefoniert, um Anfang Oktober  gemeinsam mit Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko in Kiew zu besuchen. Rund zwei Wochen zuvor  war zwar schon Österreichs wieselflinker  Außenminister auf einer Kurz-Visite bei Poroschenko, doch der Zeitdruck war zu groß, als dass dabei etwas Handfestes hätte rauskommen  können. Auch für den Kanzler blieb es letztlich beim Austausch von  allseits bekannten Stehsätzen  und  dem protokollarischen Shakehands – mehr war wohl einfach nicht drinnen.

Das ukrainische Parlament hat zwar am 16. September das Assoziierungsabkommen mit der Union ratifiziert, und zeitgleich stimmten die EU-Abgeordneten in Straßburg mehrheitlich für die geplante umfassende Freihandelszone, doch die Vereinbarungen gelten vorerst nur provisorisch. Das Abkommen wurde nämlich erst von sechs EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert – und es kann Jahre dauern, bis alle 28 zugestimmt haben. Obendrein wurde das Inkrafttreten der Handels-bestimmungen, das ursprünglich für 1. November vorgesehen war, auf Drängen Russlands relativ stllschweigend auf Ende Dezember 2015 verschoben. Österreich hat der Ukraine in dieser vertrackten Situation – abgesehen von großem Verständnis für ihre verzweifelte Lage und jeder Menge Sympathien – naturgemäß herzlich wenig zu offerieren. Der russische Präsident wiederum dürfte sich von der rot-weiß-roten Initiative nicht besonders beeindruckt zeigen: Wladimir Putin mag sich gerne an seinen letzten Wien-Besuch im Juni erinnern, als er in der Wiener Wirtschaftskammer Standing Ovations genoss – aber wird er sich deswegen von Herrn Faymann gleich überzeugen lassen, seine ebenso sture wie brutale Haltung  in dieser Polit- und Militärkonfrontation aufzugeben?

Frieden – vorerst auf Papier

Dennoch möchte Wien im holprigen Friedensprozess – nach Genf und Minsk – unbedingt eine wichtige Rolle spielen: Exakt zweihundert Jahre nach dem Wiener Kongress fand vorige Woche in der Hofburg eine erste, prominent besetzte Tagung statt, die vom „Deutsch-Ukrainischen Forum“ in Kooperation mit der Initiative „Future Business Ukraine“ veranstaltet wurde. Erklärtes Ziel ist, eine Plattform für den regelmäßigen Austausch von ukrainischen und europäischen Experten zu schaffen. Beim Start waren u.a. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko, die einstigen ukrainischen Staatspräsidenten Wiktor Juschtschenko und Leonid Kutschma, der Gouverneur der Region Donezk, Sergej Taruta, sowie der ehemalige Energieminister Jurij Bojko anwesend; zu den ausländischen Gästen zählten der EU-Parlamentarier Elmar Brok, der deutsche Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, der einstige sächsische  Ministerpräsident Georg Milbradt sowie der französische Philosoph und Publizist Bernard-Henri Lévy; Österreich schließlich war durch die früheren Politiker Wolfgang Schüssel, Hubert Gorbach, Wilhelm Molterer und Dieter Böhmdorfer vertreten.

Die elitäre Herrenrunde brachte bei ihrem Meeting immerhin ein aus 15 Punkten bestehendes Memorandum zu Stande, das zu einer Beilegung der Krise in der Ukraine beitragen und die Stabilität des Landes sichern solle. Im Detail geht es in diesem Papier, zu dem diverse Anmerkungen fällig sind, etwa darum, dass die militärischen Auseinandersetzungen gestoppt und ein politischer Ausweg aus dem Konflikt gefunden werden müsse – ist nicht neu. Die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine müsse unter der Voraussetzung der angebotenen Dezentralisierung von Russland gewährleistet werden – was letztlich Putin obläge. Zum Wiederaufbau der Infrastruktur müsse es gemeinsame Anstrengungen des Westens und Russlands geben, wobei auch Russland Kreditgeber mit gleichen Rechten wie die Union sein sollte – da wird viel Goodwill erforderlich sein. Die Ukraine sollte in Zukunft sowohl mit der EU als auch mit Russland wirtschaftlich zusammenarbeiten können – also nicht entweder oder, sondern logo – sowohl als auch. Die Ukraine solle sich zu einer militärischen Bündnisfreiheit bekennen und damit russische Sicherheitsbedürfnisse respektieren – also kein Flirt mit der Nato, was den Kreml sicher entzücken würde. Dafür anerkennt Moskau die Assoziierung mit der EU an – was dort wiederum für alles andere als Euphorie  sorgen dürfte.

„Ohne Kampf gibt es keinen Sieg“

Des Weiteren geht es in diesem Memorandum beispielsweise um die durch die Ukraine verlaufenden Gas-Transit-Pipelines, die im trilateralen Teamwork modernisiert werden müssten – ohne starke finanzielle Unterstützung aus Brüssel wird das allerdings nicht möglich sein. Diesbezügliche Kooperationen mit westlichen Partnern seien wünschens-wert, um Kapital und Know-how zu akquirieren – eine noch ziemlich nebulose Idee. Ganz klar hingegen der Vorschlag, die Rechte der ukrainischen Regionen in der neuen Verfassung zu stärken, ihnen auch eigene Steuereinnahmen zuzusichern – ein absolutes Muss-Projekt. Obendrein, und jetzt kommt‘s, solle die EU die Sanktionen gegen Russland etappenweise wieder canceln, Russland dafür die Handels-beschränkungen gegen die Union wieder zurücknehmen – Putin wird das sicher gerne hören. Zu guter Letzt geht es auch um die Krim: Nur mit einer baldigen Vereinbarung zwischen der Ukraine und Russland, die international bestätigt und garantiert werden müsse, könne die völkerrechtswidrige Annexion der Halbinsel halbwegs entschärfen – leider sind die Details dazu ziemlich nebulos.

Das Wiener Memorandum weist immerhin in die richtige Richtung, wie eine schrittweise Deeskalation erfolgen könnte. Der Text am Papier  hört sich freilich weitaus versöhnlicher an als der Ton am Podium  dieser Tagung bisweilen klang: „Wir kämpfen für unser Land, wir kämpfen für unseren Traum, wir kämpfen um unsere Zukunft. Ohne Kampf gibt es keinen Sieg – und ich bin überzeugt: Wir werden gewinnen“ – diese Parole von Ex-Box-Champion Klitschko etwa wurde zwar heftig beklatscht, machte jedoch die tiefen Emotionen in jener  überhitzten Atmosphäre deutlich, die eine sachliche Gesprächsbasis  nahezu unmöglich macht. Es muss letzten Endes zunächst eine Waffenruhe in der Ostukraine und sodann auf diplomatischer Ebene eine Kompromisslösung zwischen den Streitparteien geben, bei der jede in spezifischen Punkten einlenkt, doch keine das Gesicht verliert. Wer die Vermittlerrolle übernehmen könnte, ist vorerst leider noch offen: Zur Zeit scheinen sowohl die EU-Granden als auch die OSZE überfordert zu sein – und Werner Faymann erst recht. Der Kanzler, der seine Mission mit der nicht besonders glücklichen Formulierung „Es fällt uns zwar nicht leicht, aber wir müssen uns jetzt einmischen“ begründet hat, wird wohl oder übel erkennen müssen, das ihm als selbsternanntem Friedensstifter exakt drei Dinge fehlen: die internationale Reputation, die reichliche Erfahrung und die charismatische Präsenz eines Bruno Kreisky.

 

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