Wahlkampf ist und da werden immer gerne Feindbilder gesucht. Ein solches ist Viktor Orban, auf den es eine gewisse Jagdgesellschaft abgesehen hat.
Der Beginn der Diskussion der so genannten Elefantenrunde im ORF, mit der gewissermaßen der EU-Wahlkampf in Österreich eingeläutet wurde, war so typisch. Die erste Fragerunde galt nicht brennenden Gegenwarts- oder gar Zukunftsfragen der Union, sondern man widmete sich einem Thema, das schon seit längerem von den linken, grünen und auch liberalen politischen Kreisen gepflegt und gehegt wird. Im Mittelpunkt stand der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban und der Beschluss der Europäischen Volkspartei, ihn nicht aus der Parteifamilie auszuschließen, sondern seine Partei „Fidesz“ nur zu suspendieren und einen Weisenrat einzusetzen, der prüfen soll, ob die Politik der ungarischen Regierungspartei mit den Grundsätzen der EVP noch vereinbar ist.
Erinnerung an das Jahr 2000
Man wird erinnert an das Jahr 2000. Damals wurde nach 30 (!) Jahren, die SPÖ auf die Oppositionsbank verwiesen. Seit der Ära Kreisky hatte sie durchgehend den Bundeskanzler gestellt, wiewohl es seit 1983 bei den Nationalratswahlen eine bürgerliche Mehrheit gab. Wolfgang Schüssel und Jörg Haider hatten den Weg zueinandergefunden und die erste ÖVP-FPÖ-Regierung gebildet. Worauf die sozialistische internationale Fangemeinde eine Hetzkampagne inszenierte und mit willfähriger Hilfe so mancher liberaler und konservativer Scheinmoralisten EU-Sanktionen gegenüber Österreich verhängte. Dass die FPÖ in der Vergangenheit der SPÖ einige Male als willkommener Steigbügelhalter gedient hat, wurde schlichtweg. Schon damals wurde übrigens ein Weisenrat eingesetzt, der dann zu der für die Hetzer blamablen aber richtigen Erkenntnis kam, dass sich diese Regierung völlig korrekt innerhalb des so genannten Verfassungsbogens bewegt.
Der strapazierte Geduldfaden
Keine Frage, Viktor Orban hat mit einer Reihe von Maßnahmen und Äußerungen in den letzten Monaten auch die Geduld seiner Parteifreunde strapaziert. Das betrafen nicht nur Reformen im Rechtsbereich und im Justizwesen, wiewohl es hier auch um die Beseitigung so mancher Relikte aus der kommunistischen Vergangenheit ging. Auch die Eingriffe in die Medienlandschaft hinterließen mitunter den Eindruck, dass man sich hier unliebsame Kritiker vom Hals schaffen möchte und eine genehme Berichterstattung einrichten will. Selbst Freunde aber wurden vor den Kopf gestoßen, als man im Zuge der Wahlwerbung für die bevorstehenden EU-Wahlen den der eigenen Parteifamilie zugehören EU-Kommissionspräsidenten Jean Claude Juncker angriff.
Ungarn begann Balkanroute zu schließen
Vergessen wird allerdings auch, dass Orban sich mehr Unterstützung von Brüssel erwartet hätte. Gerade Ungarn war 2015 als der Flüchtlings-Tsunami über Mitteleuropa heranbrach, die erste Station, an der zig-tausende Menschen aus dem Nahen Osten gelandet waren. In Erinnerung sind noch die Menschenmassen, die rund um den Hauptbahnhof lagerten, verpflegt werden mussten und darauf warteten, die Weiterreise nach Österreich und Deutschland antreten zu können. Unterstützung gab es damals keine. Und als Ungarn begann die Südgrenze abzuriegeln und damit den Flüchtlingsstrom weitgehend nachhaltig zum Versiegen zu bringen, musste es sich massive Kritik von so manchen Mitgliedern der EU und jener Zivilgesellschaft gefallen lassen, die blinde Anhänger einer hinterfragenswürdigen Willkommenskultur waren.
Blindäugig gegenüber Rumänien
Die Speerspitze jener, die Orban und seine Fidesz zum Feindbild erkoren haben, geradezu eine Hasenjagd inszenieren, gehören zu jenen, die auch heute noch Einwände gegen die Schließung der Balkanroute vorbringen. Die nicht verstehen wollen, dass ein Land seine ethnische Struktur behalten will und sich abwehrend gegenüber Migrationswellen zeigt. Es sind übrigens vor allem auch jene Länder, die bis heute an den Verhandlungen über einen möglichen Beitritt der Türkei festhalten. Während kein Tag vergeht, da Orban an den Pranger gestellt wird, sieht man zu, wie im aktuellen EU-Vorsitzland eine sozialistische Regierung im Korruptionssumpf versinkt und mit Gewalt gegen die demonstrierende Opposition vorgeht. Da schweigt die Sozialistische Internationale.
Orban brachte roten Hoffnungsträger zu Fall
Orban bekommt freilich auch zu spüren, dass die Linke mit ihm eine offene Rechnung zu begleichen hat. War es er doch, der 2010 den damaligen sozialdemokratischen Jungstar Ferenc Gyurcsány die Grenzen seiner Macht aufzeigte. Vergessen ist, dass eben dieser damalige ungarische Ministerpräsident in einer Geheimrede, die allerdings dann publik wurde, eingestanden hatte, dass er und seine engeren Vertrauensleute die Öffentlichkeit jahrelang durchwegs belogen hatten, um die Parlamentswahlen zu gewinnen. Es war dann Orban, der einen harten Sanierungskurs einleiten musste, um wieder Ungarn auf Spur zu bringen.
Der interessante Lebenslauf der Fidesz
Interessant ist freilich auch, die Geschichte von Fidesz. Diese wurde nämlich 1988, also noch vor dem Fall des Eisernen Vorhangs gegründet, und war damals gewissermaßen die Vorfeldorganisation des Demokratischen Forums MDF, das nach den ersten freien Wahlen mit Joszef Antall den Ministerpräsidenten stellte. Mit dem frühen Tod Antalls begann das MDF langsam von der politischen Bühne zu verschwinden und gleichzeitig der Aufstieg von Fidesz zu einer politischen Kraft. Zunächst suchte man noch politischen Halt bei der Liberalen Internationale um schließlich 2002 ins Lager der EVP zu wechseln. Die EVP geht heuer in die EU-Wahlen als Favorit. Auch ein Grund warum die gesammelte Gegnerschaft von Grün bis Links Orban ins Visier nimmt und darauf drängt, dass sich die Volksparteien von Fidesz trennt – und so Mandate im Europäischen Parlament verliert.
Dialog statt Konfrontation
Es war daher ein durchaus weiser Rat, Orban und seinen Parteifreunden nicht den Sessel vor die Tür zu stellen. Mit den „drei Weisen“, Wolfgang Schüssel, Hans-Gert Pöttering und Herman Van Rompuy hat man jedenfalls drei angesehene Alt-Politiker aus dem Kreis der Christdemokraten und Konservativen bestellt, die es schaffen sollten, sich nicht von Vorurteilen und Einwürfen irritieren zu lassen, die gezielt von außen kommen, sondern eine vernünftige Gesprächsbasis mit der ungarischen Regierungspartei zu finden. Denn das ist etwas, was auch der EU abgeht, nämlich nicht nur von oben zu dekretieren sondern auch den Dialog mit jenen zu suchen, die eine andere, eigene Meinung über die Weiterentwicklung Europas haben.