Auf den ersten Blick fragt man sich: Was geht denn das eigentlich die Europäische Union an? Warum mischt sie sich auch da ein? Brüssel möchte bekanntlich die Gebühren von Kreditkartenfirmen und für andere Bankkarten drastisch reduzieren – womöglich wird uns eines Tages auch noch exakt vorgeschrieben, wieviel ein Wiener Schnitzel, eine Flasche Rotwein oder eine Rolle Klopapier kosten darf bzw. muss.
[[image1]]Allerdings sind die neue Richtlinie über Zahlungsdienste (Codewort: PSD II) und die gleichzeitig veröffentlichte Verordnung zu den multilateralen Interbankenentgelten (MIFs) für grenzüberschreitende Zahlungskartentransaktionen auf den zweiten Blick gar kein so schrecklicher Eingriff, wie man meinen könnte – im Gegenteil: Die Kommission will die Verwendung von Kredit- und EC-Karten günstiger machen und damit Händler und Konsumenten entlasten.
MIFs sind jene Entgelte, die jeder Vertragspartner von Kartenfirmen für jede bei ihm durchgeführte elektronische Zahlung an die Bank des Kartennutzers abführen muss – unabhängig davon, ob der Kunde, der bei EU-weiten Transaktionen selbst nichts bezahlt, eine Kredit- oder eine Debitkarte benutzt hat. Diese Gebühren, die beispielsweise in den USA gar nicht existieren, werden im Normalfall weitergegeben, indem der Händler solche Entgelte auf die Preise aufschlägt. Damit müssten folglich auch jene Verbraucher mehr blechen, moniert EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia, die bar zahlen. Genau das wurmt die EU, die nunmehr neue Spielregeln für Plastikgeld durchsetzen möchte.
Eine Kreditkarte, heißt es so schön, ist die Eintrittskarte in die Welt – wer keine besitzt, muss draußen bleiben. Ohne „Plastikgeld“ wäre man – das kann wohl jeder Geschäftsmann bestätigen – speziell auf Reisen, in Hotels, Restaurants und Geschäften, häufig aufge-schmissen. Was früher ein begehrtes Statussymbol von Schwerreichen war, ist nunmehr für die breite Allgemeinheit selbstverständlich, selbst für jene, deren Bankkonto einen traurigen Eindruck verbreitet: Rund 40 Prozent der EU-BürgerInnen besitzen zumindest eine Kreditkarte, die Mehrheit der Zwei-Klassen-Gesellschaft indes kann vom uralten Raiffeisen-Slogan „Geld macht glücklich, wenn man rechtzeitig drauf schaut, dass man‘s hat, wenn man‘s braucht“ nur träumen. Paradoxerweise wird dieses blühende Geschäftsfeld von zwei Anbietern klar beherrscht, die selbst gar keine Karten ausgeben – das erledigen die so genannten Card Issuers für sie, also zahllose Bankinstitute. Das Duell heißt Visa gegen Mastercard.
Match der Superlative
Diese beiden Giganten hat die EU-Kommission schon seit 2007 im Visier: Seit damals vertritt sie die Ansicht, dass die Gebühren für in Europa ausgegebene Karten gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen und letztlich die Kosten für Händler und Verbraucher in die Höhe treiben. Gegen die zwei US-Konzerne wurde eine Reihe langwieriger Kartellverfahren eingeleitet, das eine oder andere Zugeständnis abgetrotzt, letztlich hatten sie in Brüssel aber immer schlechtere Karten. Zeitweilig war von den Brüsseler Wettbewerbshütern sogar ein komplettes Verbot solcher Entgelte angedacht. Im nunmehr vorliegenden Entwurf wird die Gebühr, die die Bank des Händlers an die Bank des Kunden zahlen muss, bei Kreditkarten mit 0,3 Prozent, bei Debitkarten mit 0,2 Prozent des bezahlten Betrags limitiert. Die Deckelung soll während einer zweijährigen Übergangsfrist nur für grenzüberschreitende Transaktionen gelten, danach auch im Inlandszahlungsverkehr.
Die weltweit tätigen Kartenfirmen – naturgemäß geht es zugleich den Bankomat- oder EC-Karten an den Kragen – würde das mit voller Wucht treffen: Derzeit machen die von Land zu Land ziemlich unterschiedlichen Gebühren bis zu 1,8 Prozent aus. Die geplante Kürzung würde ihren Rebbach allein bei Zahlungen mit Debitkarten EU-weit auf rund 2,5 Milliarden Euro halbieren. Allzu großes Mitleid ist allerdings nicht erforderlich, denn die EU-Offensive zielt nicht gerade auf eine notleidende Branche ab – was eindrucksvolle Fakten belegen: Die Visa Inc. etwa ist als weltweit tätiger Verbund von rund 15.000 Banken aufgestellt und Herzstück eines Megabusiness – die weltweit in 200 Ländern präsenten 2,1 Milliarden Visa-Cards sorgen jährlich für etwa 82 Milliarden Transaktionen im Gesamtausmaß von 6,5 Billionen Dollar.
Mastercard wiederum, mit mehr als 1,9 Milliarden Karten auf Weltrang zwei, versteht sich als Technologie-Company, die pro Jahr 36 Milliarden sichere Transaktionen zwischen Banken, Vertrags-partnern und Karteninhabern ermöglicht – also 65.000 pro Minute. Dabei geht es insgesamt um 3,6 Billionen Dollar, gemäß dem Slogan „Every day, we make payments happen“. Mit rund 33 Millionen so genannter Akzeptanzstellen übertrumpft Mastercard sogar den Kontrahenten, der lediglich 20 Millionen Mal – bei Airlines, Hotels, in Restaurants oder Geschäften – bargeldloses Bezahlen ermöglicht.
Visa und Mastercard zählen zu den 20 wertvollsten Brands der Welt
Die beiden Topfirmen stehen jedenfalls exzellent da: Visa setzte zuletzt mit weltweit 7.500 Mitarbeitern 10,4 Milliarden Dollar um und brachte es auf einen Nettogewinn von 4,2 Milliarden. Mastercard wiederum schaffte als als Franchise-Geber, Prozessor und Berater einen Umsatz in Höhe von 7,4 Milliarden Dollar und erwirtschaftete einen Nettogewinn von 2,8 Milliarden. Visa und Mastercard zählen laut Einschätzung des US-Marktforschungsinstituts MillwardBrown zu den 20 wertvollsten Brands der Welt, und dank ihrer starken Marktposition konnten sie jahrlang nach Gutdünken schalten und walten, was – wenig überraschend – selten zum Vorteil ihrer Klientel gereichte.
Doch jetzt setzt die Europäische Union, die sich bereits mit anderen Riesen wie Apple, Google und Microsoft angelegt hat, alles auf eine Karte: Ihr Plan wird freilich nur umgesetzt, wenn EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten zustimmen – und das kann Jahre dauern. Die Betroffenen, also die vertraglich gebundenen Einzelhändler, würden schlussendlich erleichtert aufatmen, denn derzeit müssen sie laut Schätzungen der Kommission knapp 14 Milliarden Euro dafür berappen, dass sie Plastikkarten akzeptieren. Die Kreditkartenfirmen, die sich teilweise kooperativ verhalten, drohen allerdings bereits, im Worst Case höhere Jahresgebühren zu verlangen – und dann wären die Konsumenten, in deren Interesse Brüssel den Zahlungsverkehr erleichtern möchte, erst recht wieder die Tescheks …
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