Mangels politischer Ereignisse wird die nachrichtenarme Sommerzeit gerade wieder genutzt, um ein Zurechtrücken des Gesellschafts- und Weltbildes herbei zu schreiben.
Die Linke hatte schon bessere Zeiten in Europa erlebt. So vor 50 Jahren als die sogenannte 68er Revolution viele europäische Staaten von Frankreich bis Deutschland erfasst hatte und zigtausende Menschen auf den Straßen gegen bürgerliches Establishment und einen Umsturz der gesellschaftlichen Ordnung demonstrieren ließ. In Frankreich, Spanien und Italien erlebte der sogenannte Eurokommunismus seine Blütezeit. Unter dem Schlagwort „historischer Kompromiss“ versuchten kommunistische Parteien die christdemokratischen Bewegungen zu umgarnen und von einer gemeinsamen Regierungsbildung zu überzeugen. Ein Versuch, der letztlich scheiterte.
Das Ende des realen Sozialismus
Mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems Ende der 1980er Jahre, das sich mittlerweile aus Gründen der Attraktivität als „realer Sozialismus“ bezeichnete, gerieten auch die sozialdemokratischen Parteien in eine Art Existenzkrise. Deren ideologische Gründungsväter, wie Karl Marx, waren nicht mehr en vogue, und die Thesen einer klassenlosen Gesellschaft, die dem Prinzip der Planwirtschaft gehorchte, kläglich gescheitert. Es ist der Zeitpunkt, wo sich in Europa als Kontrapunkt zur Sozialistischen Internationale das Bündnis konservativer und christlich sozialer Parteien etabliert hat, in der nationalen und europäischen Politik eine führende Rolle einnimmt.
Öffentliche gegen veröffentlichte Meinung
Symptomatisch für diese Entwicklung ist Österreich. Bereits ab 1983 kristallisiert sich eine so genannte bürgerliche Mehrheit heraus. Mit knapp etwas mehr als 50 Prozent, aber immerhin. Ein Trend, der sich bei vielen Meinungsbildnern so nicht nachvollzieht. Ein Beispiel sind die Medien. So etwa hat sich bei den letzten Arbeiterkammerwahlen 2014 gezeigt, dass in den Zeitungen und beim Rundfunk Sozialdemokraten und Grüne über eine dominante Mehrheit verfügen. Konservativ bürgerliche Schreiber und Kommentatoren sich klar in der Minderheit befinden. Zu spüren bekam das unter anderem der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl. Er musste damit leben, dass er zwar die öffentliche Meinung für, die veröffentlichte allerdings gegen sich hatte.
Ratschläge für die Volksparteien
Die Medien verstehen sich gewissermaßen als die vierte Kraft in der Gesellschaft, tun sich aber mitunter mit der Kontrolle ihrer eigenen Performance schwer. Sie sind vielmehr zum Sprachrohr linker und linksliberaler Meinungen geworden. Und auch kritische bürgerliche Kreise lassen sich von ihnen gewissermaßen infizieren, zumal es chic geworden ist, gegen den Mainstream zu argumentieren. So indem man etwa den Volksparteien einzureden versucht, ihr Heil bloß in der Mitte zu suchen, populistischen Tendenzen zu widersagen. Konkret etwa, einen Umkehrschwung in der Flüchtlingspolitik zu vollziehen, anstelle restriktive Schutzmaßnahmen zu setzen, die Völkerwanderung als eine gegebene Entwicklung schlichtweg zu akzeptieren. Tatsächlich freilich fühlen sich wesentliche Teile der europäischen Gesellschaft mit ihren Sorgen und Nöten allein gelassen. Das führt zu Richtungsdiskussionen etwa innerhalb der CDU und war das Erfolgsgeheimnis der neuen ÖVP.
Meinungs-Bashing gegen Trump
Nachvollziehbar ist das derzeit üblich gewordene Meinungs-Bashing gegen Mitte/Rechts übrigens auch an der Berichterstattung über US-Präsident Donald Trump. Bei aller Problematik seiner sprunghaften, sich oft nur am eigenen Wählerklientel und dem America-First-Slogan orientierenden Ansagen, ist er noch immer die westlich-demokratische Führungspersönlichkeit. In vielen Kommentaren erfährt er allerdings eine verbale Behandlung, die man bei so manchem diktatorischen Machthaber vermissen ließ und noch immer lässt. Ohne Zweifel, da wurden Maßstäbe versetzt, weil die Person Trump nicht jenem Bild entspricht, das sich die US-Ostküstengesellschaft und die europäischen Querdenker vom Verwalter des Weißen Hauses zurechtgezimmert hatten.
Demokratie und Marxismus sind unvereinbar
In wenigen Tagen jährt sich nun der 50ste Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings. Dahinter verbarg sich das Modell eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Es sollte zu einem Vorbild – auch im Westen – für eine sozialistische Gesellschaft werden, die dem Prinzip der freien Marktwirtschaft gehorcht und freie Meinungsäußerung zulässt. Die damals von Alexander Dubcek verfolgte Politik unterlag nur einem Denkfehler. Den der Dissident und Publizist Juraj Alneso formuliert: Demokratie und Marktwirtschaft lassen sich unter dem Deckmantel einer Partei, die dem Grundgedanken des Marxismus folgt, nicht umsetzen. Was 1989, als der Eiserne Vorhang fiel, dazu führte, dass kaum jemand noch einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ anstrebte, auch kein dritter Weg zwischen Sozialismus und Kapitalismus gefragt war, sondern man sich nur noch die pluralistische parlamentarische Demokratie herbeisehnte.
Die unterschiedliche Sicht des 1968er Jahres
Interessant ist freilich, wie man sich im linksliberalen Spektrum den Ereignissen rund um den 21. August 1968 nähert. Da geht es nicht um das Scheitern eines angesichts des kommunistisch-sozialistischen Machtanspruches letztlich unrealisierbaren Experiments, sondern man sieht in der unter dem Namen „Prager Frühling“ firmierenden Politik in der CSSR primär ein Äquivalent zur westeuropäischen 1968er Revolutionsbewegung. Dieser Schlussziehung widerspricht im Gespräch mit EU-Infothek ein Politiker, der persönlich von der politischen Entwicklung in der Tschechoslowakei betroffen war, zu den Reformern zählte, nach deren Entmachtung sogar an der Ausübung seiner wissenschaftlichen Tätigkeit gehindert wurde und schließlich zu den führenden Politikern zählte, die das Land in die Demokratie führten.
Westliche Kulturrevolution wirkt bis heute nach
Für Vaclav Klaus, Jahrgang 1941, Christdemokrat, von 1992 bis 1998 Ministerpräsident, anschließend bis 2002 Vorsitzender der Abgeordnetenkammer und schließlich bis 2013 Staatspräsident, steht fest: „Die Entwicklung in der Tschechoslowakei in den sechziger Jahren war autonom, von uns selbst konzipiert. Die damaligen Ereignisse in Westeuropa, die Barrikaden in Paris und Berlin, stammten aus anderen Ideen und Ideologien. Wir sollten uns bemühen, diesen Unterschied den heutigen Generationen klar zu machen“. Konkret gemeint ist damit, dass es sich bei den Ereignissen im 68er Jahr in Westeuropa um die westliche Version der Kulturrevolution handelte, deren Auswirkungen bis heute zu spüren sind.
Eine Abrechnung mit der Gesellschaft
Und er bringt das Geschehen der letzten 50 Jahre auf den Punkt, ja schreibt vielen ins Stammbuch: „Das war 1968 in Westeuropa passierte, war ein langsamer Anstieg des Neomarxismus. Waren die ununterbrochenen Angriffe an die menschliche Vernunft, an Common Sense, an Autorität, Ordnung und Traditionen. War der Einzug des Ökologismus und seine Versuche uns vor die Ära der industriellen Revolution zu bringen. War die Ausdehnung des Human-Rightismus und die Ideologie des Multikulturalismus. Waren die aggressiven Attacken gegen das Christentum und seine Werte. War in letzter Konsequenz die Entstehung der liberalen Ordnung ohne konservativen Grundlagen“.