Dienstag, 5. November 2024
Startseite / Allgemein / Vorbildfunktion haben Beamtenregierungen nicht wirklich

Vorbildfunktion haben Beamtenregierungen nicht wirklich

Gruppenfoto Bundesministerinnen und Bundesminister | DRAGAN TATIC/BKA (Ausschnitt)
Österreichische Bundesregierung  / Bild © BKA/Dragan Tatic (Ausschnitt)

Beamtenregierungen haben meist kein langes Leben und hinterlassen wenig Spuren.

In der Zweiten Republik ist die Beamtenregierung von Brigitte Bierlein ein Unikum. In der Ersten Republik hatte es vier Mal eine Beamtenregierung gegeben, eine dauerte nur einen einzigen Tag. Dreimal war ein und dieselbe Person Bundeskanzler. Nämlich Johann Schober. Und er hatte eine bewegte Karriere, die auch eine Folge der politischen Zerrissenheit der Zwischenkriegszeit war.

Schober trat noch in der Zeit der Monarchie der Polizei bei und war übrigens einer der führenden Ermittler im Spionagefall Alfred Redl. Im November 1918, mit Beginn des Republikzeitalters, wurde er Polizeipräsident von Wien. Das blieb er bis zu seinem Tod im Jahre 1932, nur dreimal unterrochen, weil er eine politische Funktion wahrnehmen musste. Die nach der Republikausrufung geschlossene Zusammenarbeit von Rot und Schwarz war nur von kurzer Dauer. Die erste Regierung hatte auch tatsächlich noch vieles – so die neue Verfassung – auf die Reise gebracht, scheiterte aber mit der Radikalisierung der Sozialdemokraten.

Dreimal Kanzler einer Expertenregierung

Am 21. Juni 1921 wurde Schober erstmals durch den Nationalrat gegen die Stimmen der Sozialisten zum Bundeskanzler gewählt. Er bildete eine Regierung, in der mehrheitlich Beamte vertreten waren und die von der Christlich-sozialen sowie der Großdeutschen Partei unterstützt wurde. In seiner Amtszeit wurde das „Protokoll von Venedig“ unterzeichnete, mit dem die Durchführung einer Volksabstimmung über die Zugehörigkeit von Ödenburg/Sopron zum Burgenland vereinbart wurde. Das Referendum ging bekanntlich negativ aus. Keinen Erfolg brachte ihm der mit der Tschechoslowakei abgeschlossene Vertrag über die gegenseitige Anerkennung der Grenzen. Damit hatte er auf das Selbstbestimmungsrecht der Sudetendeutschen verzichtet. Daraufhin trat der einzige großdeutsche Minister zurück und brachte die Regierung zum Sturz.

Für nur einen Tag leitete am 26. Jänner 1922 der Beamte Walter Breisky im Auftrag der Christlichsozialen die Regierung. Gleich darauf stellte Schober seine neue Regierung im Parlament vor, die aus Beamten und nur drei schwarzen Ministern bestand. Am 24. März des gleichen Jahres war die Regierungszeit schon wieder zu Ende, weil ein von ihm eingebrachter Kreditantrag im Parlament scheiterte. Noch einmal kehrte er allerdings in das Bundeskanzleramt zurück. Nämlich am 26. September 1929. Und wieder formierte er eine vor allem aus Beamten und drei Politikern bestehende Regierung. Diesmal hielt diese sogar ein Jahr bis zum 30. September 1930 durch.

Zwiespältiges Ergebnis

Das Ergebnis dieser Amtsperiode ist etwas zwiespältig. Einerseits gelingt es ihm die Reparationszahlungen an die Siegermächte des Erstens Weltkriegs zu beendigen, was zu einer Entlastung der schwierigen finanziellen Lage des Staatshaushaltes führt. Andererseits unterzeichnet er einen Freundschaftsvertrag mit dem zu dieser Zeit bereits faschistischen Italien. Am Versuch die paramilitärischen Verbände der beiden Großparteien, Heimwehr und Schutzbund zu entwaffnen, scheiterte er letztlich.

Wie das Ergebnis der Regierung Bierlein (sie kommt zwar nicht wie Schober von der Polizei, dafür aber vom Höchstgericht) später einmal aus historischer Sicht aussehen wird, bleibt vorerst dahin gestellt. Große Würfe sind jedenfalls nicht zu erwartet. Die Bundeskanzlerin drückt sich bewusst vor persönlichen Stellungnahmen und zieht sich auf eine sehr einfache Position zurück: Dort wo Entscheidungen gefragt sind, will sie bloß der Mehrheit folgen. Oder noch lieber der nächsten durch die Wähler legitimierten Regierung überlassen. Selbst auf EU-Ebene, wo mit der Wahl der EU-Spitzenpositionen und der Nominierung des österreichischen EU-Kommissars nicht zugewartet werden kann, heißt die Losung, dass man so abstimmen werde, wie dies die Mehrheit auch tut. Kurzum, man dreht sich wie der Wind weht.

Italien ist kein nachahmenswertes Beispiel

Auch in anderen europäischen Ländern waren Experten- oder Beamtenregierungen, so in Krisenzeiten immer wieder gefragt. So vor allem in Italien. Nicht wirklich ein Musterbeispiel. Dort wurde 1993/94 nach dem Zusammenbruch des Parteiensystems aufgrund eines Schmiergeldskandals der parteiunabhängige Nationalbank-Gouverneur Carlo Azeglio Ciampi, mit der Regierungsbildung betraut. Mit dem Wahlsieg von Silvio Berlusconi und seiner Forza Italia war diese vor allem aus Experten gebildete Regierung auch schon wieder Geschichte. Da aber das erste Kabinett Berlusconis bereits 1996 die Mehrheit verlor, kam schon wieder im Palazzo Chigi ein hoher Beamter zum Zug, nämlich der parteiunabhängige Schatzminister Lamberto Dini. Er bildete eine reine Expertenregierung. Sie endete mit dem Wahlsieg des Sozialdemokraten Romano Prodi. Damit nicht genug. 2011 erhielt Italien neuerlich eine Expertenregierung, dieses Mal unter dem früheren EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti.

Bis heute leidet die Wirtschaft Italiens darunter, das die italienischen Regierungen bedingt durch ihre kurze Lebenszeit und die Vielzahl von Übergangsregierungen keine nachhaltige Wirtschafts- und Finanzreform zustande gebracht haben. Italien ist da ein abschreckendes Beispiel. Klare politische Mehrheitsverhältnisse sind noch immer der beste Garant für Reformen. Auch wenn die derzeitige Übergangsregierung Applaus in der Öffentlichkeit erzielt, so gilt ein alter Werbespruch, dass nämlich eine aus Politikern zusammengesetzte Regierung durch nichts ersetzt werden kann.

4 Kommentare

  1. Die Expertenregierung arbeitet vor allem im Sinne der ÖVP und ein bißchen der SPÖ ! Die Bevölkerung ist unerheblich ! Siehe sofortige Rücknahme der 1,50 Euro-Regelung, etc., etc !

  2. Beamtenregierungen sind nicht per se etwas schlechtes. Die Regierungen der alten Monarchien, teilweise auch die konstitutioneller Monarchien waren im Wesentlichen Beamtenregierungen, die fachlich kompetent und sehr still aber auch effektiv arbeiteten. Die große Politik blieb dem Monarchen und einigen hochadeligen Granden vorbehalten, die Umsetzung und teilweise aber auch die konkrete Ausgestaltung dieser Politik lag in den Händen der Minister (die Ministerialen waren ursprünglich hohe Verwaltungsbeamte des Kaisers im Hl. Röm. Reich) oder Sekretäre (so heißen in den USA noch heute die Minister im schönsten „ancien regime“-Sprech). Große Persönlichkeiten waren auf solchen Posten: neben dem Musterbeamten Colbert, sei hier auch an Goethe erinnert.
    Eine Administration nur durch eine Beamtenregierung ohne eine politische Führung aber ist etwas reichlich spezielles und hat es insgesamt nur selten gegeben. In den alten Monarchien führten solche Zustände – etwa wenn der Monarch geistig nicht auf der Höhe oder einfach nur vollkommen desinteressiert war – nicht selten zur Herausbildung von heimlichen politischen Führungsklüngeln, am berüchtigsten die spanische Hofkamarilla des 17. und 18. Jahrhunderts. In Frankreich mündete die politische Schwäche Ludwigs XVI., dessen Land durchaus von einer Beamtenregierung (etwa Necker als fachlich kompetenter Finanzminister) geleitet wurde, deren Mitglieder sich aber politisch verselbstständigten, in die Revolution, zu der es wohl nie gekommen wäre, wenn statt seiner eine politische Führungsperson wie Ludwig XIV. an der Macht gewesen wäre.

  3. Wie lange schon gab es Wisser des Videos?Str.wurde erpresst,das passt zu seinem Verhalten in den letzten Wochen als Vize.Auch andere Gruppen waren sich gewiss,daß die Bombe jederzeit hochgehen kann.Siehe ORF .

  4. Jetzt ist es amtlich: Österreich hat eine sogenannte beamtete Expertenregierung. Eine Frage: Herr Bundeskanzler Kurz, wenn’ s jetzt Experten sind, waren die Regierungen der letzten 70 Jahre keine Experten??. Und seien Sie vorsichtig, die Bürger könnten auf die Idee kommen, Sie durch einen Experten auszutauschen! Was waren das für glückliche Zeiten, als am Wiener Ballhausplatz noch verantwortungsvolle, ernsthafte, bodenständige Staatsmänner mit Rückgrat regierten, die demokratisch gewählt wurden und demokratisch regierten. Jetzt haben Sie, Herr Kurz, die gewählten Volksvertreter durch schwarzrote Beamte ausgetauscht. Was jetzt passiert, ist eine Vorleistung auf eine Neuauflage der Großen Koalition mit den noch kürzlich so „verhassten Sozis“? Das wird Ihre Wähler aus 2017 sicher freuen, wenn Pamela neben Ihnen Platz nimmt. Merken sie sich: Gott verzeiht. Der getäuschte Wähler nie.  Apropos Türkis: Dieser Lack ist endgültig ab. Zum Vorschein kommt jetzt leider der mottenzerfressene Lodenmantel der alten ÖVP. Keine Lüge lässt sich verbergen, kein Geheimnis bleibt unentdeckt: So wird es auch den Regisseuren des lustigen Ibiza Videos ergehen. Gratuliere, das System hat wieder einmal ganze Arbeit geleistet. Jetzt habe auch ich eine Ahnung, warum Kickl als „Aufklärer der Nation“ aus dem Amt verjagt wurde. Aber, nichts ist so fein gesponnen, es kommt doch an die Sonnen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Das könnte Sie auch interessieren

OLG Wien – 03. Oktober 2024 – Freispruch für Prof. Gert Schmidt und Mitangeklagten

OLG Wien – 03. Oktober 2024 – Freispruch für Prof. Gert Schmidt und Mitangeklagten

  Mag. Timo Gerersdorfer ist Rechtsanwalt und Strafverteidiger und hat Prof. Gert Schmidt vertreten. Kommentar …