Er hat seit 33 Jahren stets präzise prophezeit, wer die US-Präsidentschaftswahl gewinnen wird – und auch den Sieg von Donald Trump frühzeitig vorausgesagt. Jetzt meldet sich Allan J. Lichtman, Professor an der American University in Washington, mit einem neuen Buch zu Wort, in dem er eine absolute Sensation ankündigt – das politische Aus für Donald Trump. Der Autor ist nämlich felsenfest überzeugt, dass der 45. US-Präsident schnurstracks auf ein Impeachment-Verfahren zusteuere und die drohende Absetzung nicht mehr vermeiden werde können.
Trump, der gerade mal erst 100 Tage im Amt ist, provoziere laut Meinung des Politologen konsequent den Rauswurf aus dem Weißen Haus herbei und habe letztlich keine Chance, sich dort noch rund 1.350 Tage halten zu können. Sein Sündenregister, das von Tag zu Tag länger werde, habe freilich noch relativ wenig mit seiner bescheidenen Bilanz zu tun: Die ungeklärten Connections zu Russland etwa, sein massiv gestörtes Verhältnis zu Medien, Justiz und US-Geheimdiensten oder die mysteriöse Verquickung von politischem Amt und geschäftlichen Interessen – all das müsse ihn eines Tages den Kopf kosten, spätestens wenn die Republikanische Partei mit ihm endgültig die Geduld verliert und ihn durch Mike Pence ersetzt.
Dass Trump seit seinem Amtsantritt als „Master of Desaster“ („Kurier“) unterwegs ist, als solcher beispielsweise rund 30 teilweise vollkommen sinnlose präsidenzielle Dekrete unterfertigte und mit typischem Grinser stolz in die TV-Kameras hielt, dass er abgesehen von rund tausend abgesonderten Twitter-Botschaften und 20 entstressenden Auftritten am Golfplatz kaum etwas Vernünftiges zu Stande gebracht hat, das mag zwar „sad“ sein, ist aber eigentlich noch sekundär. Denn offenbar gibt es doch so etwas wie einen Trump-Effekt, obzwar der narzisstische, unberechenbare und chaotische Immobilien-Tycoon an seinem neuen Arbeitsplatz zumeist wie ein hilfloser Polit-Lehrling zu agieren pflegt. Laut Umfrage des Pew Research Center sind 58 Prozent der Amerikaner so happy wie schon lange nicht – vor einem Jahr, als Barack Obama noch im Amt war, waren indes nur 44 Prozent der Befragten mit ihrer wirtschaftlichen Situation zufrieden. Dass Trump selbst mit 40 Prozent Zustimmung auf den schlechtesten Wert aller unpopulären Präsidenten kommt, mutet freilich relativ nebensächlich an.
Viele Pannen, wenige Erfolge
Wie ist das alles zu erklären? Die Mehrheit der US-Bürger muss offenbar neues Vertrauen in die amerikanische Wirtschaft verspüren, was mit den zahllosen Trump-Versprechen im Wahlkampf zu tun haben könnte. Viele seiner Anhänger hoffen vermutlich inständig, dass der Präsident letztlich doch so einiges realisieren kann, was er ihnen tausendfach verheißen hat – zum Beispiel die herbeigesehnte Steuerreform, die nunmehr vollmundig als „größte Steuersenkung der US-Geschichte“ verkauft wird. Wie rasch seine Pläne scheitern können, ist freilich schon mehrfach eindrucksvoll bewiesen worden: Das sofortige Aus für die vom Vorgänger eingeführte Krankenversicherung – gescheitert, weil Trump nicht einmal in seiner eigenen Partei eine Mehrheit gegen „Obamacare“ zu Stande gebracht hat; sein zwei Mal verordneter Einreisestopp für Bürger aus mehreren muslimischen Ländern – gescheitert, weil die US-Gerichte nicht mitgespielt haben; die Ankündigung, an der Grenze zu Mexiko eine Mauer zu errichten – vorerst gescheitert, weil die nötigen Milliarden nicht vorhanden sind; schließlich ist die versprochene Billion Dollar für den Ausbau der maroden Infrastruktur genau so wenig in Sicht – womit die Modernisierung von Brücken, Highways, Airports und Häfen folglich warten muss.
Und was hat Donald Trump bislang eigentlich schon geschafft? – anders formuliert: Was ist nicht schiefgelaufen? Im Gegensatz zu den meisten internationalen Medien, die ihm eine geradezu katastrophale 100 Tage-Bilanz attestieren, lobte der Präsident seine bisherige Leistung in überschwänglichen Worten: Im Detail führte er aus, einen neuen Verfassungsrichter durchgesetzt, das Transpazifische Freihandelsabkommen (TPP) auf Eis gelegt, die berühmte Keystone Pipeline wiederbelebt, diverse Regulierungen im Energiebereich gekappt und der Kohle zu einem Comeback verholfen zu haben. Ist nicht sehr viel, aber zumindest etwas…Als großen Erfolg wertet er jedenfalls das Faktum, dass es nunmehr um 61 Prozent weniger illegale Einwanderer aus Mexiko gibt als noch vor wenigen Monaten. Trump wettert weiterhin konsequent gegen unliebsame Immigranten, die er gerne mit Drogenhändlern und Kriminellen gleichsetzt und weiterhin massenhaft ausweisen möchte.
Und dann noch die Sache mit den Arbeitsplätzen: Trump geht mit dem Schmäh hausieren, dass er allein im Februar 235.000 und alles in allem schon 500.000 Jobs geschaffen habe. Vergiss es – wahr ist viel mehr, dass er Konzernen wie ExxonMobil, Intel oder Fiat Chrysler das Versprechen abgerungen hat, mit weiteren Investitionen irgendwann zigtausend Stellen zur Verfügung zu stellen. Solche Tricks reichten offenbar schon, dass der Präsident von vielen noch halbwegs Ernst genommen wird und beispielsweise die Aktienkurse beflügelt hat statt – wie befürchtet – für Panik an den internationalen Börsen zu sorgen. Irgendwie nachvollziehbar, weil er obendrein, wankelmütig wie er nun mal ist, viele seiner noch vor ein paar Monaten vertretenen Positionen entweder ins harmlose Gegenteil verkehrt oder zumindest massiv aufgeweicht hat: Deshalb ist die Nato für ihn neuerdings gar nicht mehr obsolet, die EU alles andere als ein zerfallender Staatenbund ohne Zukunft und das zunächst von ihm forsch abgecancelte China plötzlich ein wichtiger Partner.
Auch wenn sich bei ihm manches blitzartig ändert – irgendwie sind Trumps banale Parolen wie „Make America strong again“ oder „America first“ oder „Buy American“ nach wie vor in vielen Köpfen verankert und noch nicht als inhaltsleerer Bluff entlarvt. Dass der unkonventionelle Präsident die Eigeninteressen seines Landes stets betont, für Protektionismus und Abschottung eintritt und anderen Staaten genauso wie ausländischen Konzernen laufend höhere finanzielle Leistungen abverlangt, gefällt seinen Fans durchaus. Und dass er so tut, als würde er reihenweise neue Jobs aus dem Hut zaubern können, bringt ihm ebenfalls Pluspunkte. Freilich: Die ersten außenpolitischen Schritte Trumps haben selbst treuesten Anhängern zu denken gegeben. Weil es Schlag auf Schlag ging: Er hat Luftschläge im Jemen angeordnet; in Syrien ließ er spontan einen Militärflughafen mit Raketen bombardieren; gleich darauf hat er in Afghanistan den starken Mann gespielt; mit dem Iran ist er übers Kreuz; vor allem hat er es jedoch auf Nordkorea abgesehen, dessen Machthaber ihn offensichtlich mit Vergnügen provoziert. Aber das ist typisch Trump: Niemand weiß, ob er dort demnächst einen Krieg anzetteln oder ob er sich mit dem verrückten Kim Jong-un nicht lieber verbrüdert…
Trapezakt ohne Netz
Trump, der sich vermutlich für allmächtig gehalten hat, musste wohl rasch erkennen, dass dem nicht so ist. Sein Verhältnis zu Russland ist nach wie vor eine große Unbekannte in der derzeitigen Weltpolitik. Genau so offen sind die künftigen Beziehungen Europa und China. In den Sternen steht obendrein die Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen, weil etwa völlig unklar ist, wie hoch die Handelsbarrieren für bisherige US-Partnerländer sein werden. Klare Zielsetzungen, geschweige denn schlüssige Strategien sind im Weißen Haus auch in dieser Hinsicht Mangelware, was auf Grund der höchst merkwürdigen Personalpolitik Trumps nicht weiter verwunderlich ist. Mittlerweile sind zwar allzu russland-freundliche und allzu rechtsextreme Berater wie Michael Flynn bzw. Steve Bannon entweder entfernt oder demontiert worden, doch Expertise und Routine der Trump-Berater und der Trump-Administration lassen immer noch in hohem Maße zu wünschen übrig.
Das weltweite Erstaunen, dass ein Mann wie Donald Trump überhaupt US-Präsident werden kann und sodann federführend von Tochter und Schwiegersohn beraten wird, paart sich allmählich mit der wachsenden Spannung, was da noch alles kommen könnte: Falls er mit der geplanten Steuerreform erneut scheitert, was übrigens keine große Sensation, sondern eigentlich nur logisch wäre, würde er massiv an Glaubwürdigkeit verlieren. Wenn er es jedoch schafft, die Unternehmenssteuern tatsächlich radikal von 35 auf 15 Prozent zu senken, wäre er zwar so etwas wie ein Weltstar, doch der zugleich würde US-Schuldenstand ein dramatisches Ausmaß annehmen. Trump steht demnach vor einem Trapezakt ohne Netz: Wie kann er die Bürger/die Wirtschaft in wirtschaftlich goldene Zeiten dirigieren, ohne sein schwer finanzmarodes Land endgültig an den Rand des Ruins zu führen.
Bisher stieß der Polit-Newcomer, der den „Sumpf von Washington“ trockenzulegen versprochen hatte, jedenfalls rasch und oftmals an seine Grenzen: Donald, relativ allein in Weißen Haus, hat die Medien gegen sich, wird argwöhnisch von der Justiz beäugt, von der demokratischen Mehrheit in der Wählerschaft abgelehnt und sowohl Kongress als auch im Repräsentantenhaus an der kurzen Leine gehalten – speziell von der eigenen Partei. Und nachdem dieser Trumps Eskapaden ebenfalls höchst suspekt sein müssten, könnte es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Republikaner, die den ungeliebten Präsidenten derzeit noch stützen, ihn eines Tages stürzen und in die Wüste respektive in den New Yorker Trump-Tower schicken. Allan J. Lichtman, der prophetische Professor aus Washington, würde dann wieder einmal Recht behalten – und ein besonders riskantes Kapitel der US-Geschichte wäre damit ziemlich rasch zu Ende…