Die große Koalition in Deutschland steht. Am Sonntag gaben CDU, CSU und SPD ihre Minister bekannt. Bei der Eurorettung ist kein Kurswechsel zu erwarten, weil Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Amt bleiben wird, und weil sich die SPD der Union in ihrer Linie stark angenähert hat.
[[image1]]Der neue starke Mann der SPD, Vizekanzler Sigmar Gabriel, hat darauf verzichtet, das Amt des Finanzministers für seine Partei zu reklamieren, weil die Euro-Strategie ohnehin von Kanzlerin Angela Merkel bestimmt werde, wie er sagt. Einiges deutet darauf hin, dass die neue Regierung selbstbewusst in Europa auftreten wird. Einen Vorgeschmack gab die Pkw-Maut für Ausländer, die auf Wunsch der bayerischen CSU eingeführt wird. Nicht nur die österreichische Regierung, sondern auch die niederländische prüft, ob die deutschen Pläne mit dem Europarecht im Einklang stehen. Kanzlerin Merkel war es bei diesem Thema sichtlich wichtiger, den bayerischen Koalitionspartner zu beschwichtigen, als die Beziehungen zu den Nachbarländern zu pflegen.
Abschied von der Gemeinschaftsmethode
Es ist zu erwarten, dass Merkel auch in den kommenden Jahren stark auf den kurzen Draht zwischen den EU-Hauptstädten setzt und auf diese Art die EU-Kommission und das Europäische Parlament schwächen wird. Fachleute sprechen von einer Abkehr von der Gemeinschaftsmethode hin zum Intergouvernementalismus. Die Eurorettung hat in dieser Hinsicht eine echte Wende eingeläutet, weil hier die Mitgliedsstaaten eine prägende Rolle spielen. Das Parlament verfügt kaum über Einflussmöglichkeiten, und auch die EU-Kommission wurde an den Rand gedrängt. Der Rettungsschirm ESM beispielsweise ist eine reine Veranstaltung der Mitgliedsstaaten.
Die SPD stellt mit Frank-Walter Steinmeier zwar den deutschen Außenminister, aber es ist unwahrscheinlich, dass sich dadurch etwas im deutschen Ansatz zur EU ändert. Seit der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten ist, sind die europäischen Außenminister nicht einmal mehr zu den EU-Gipfeln geladen. Die Staats- und Regierungschefs geben den Ton an.
Die größte Personalüberraschung ist der Wechsel von Jörg Asmussen, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), nach Berlin, wo er verbeamteter Staatssekretär von Arbeitsministerin Andrea Nahles wird. Asmussen war bereits Staatssekretär im Finanzministerium, zwischendurch gab es immer wieder Gerüchte, er könne der neue Finanzminister werden. Nun macht er private Gründe für seine Veränderung geltend. Kanzlerin Merkel hat bereits bekannt gegeben, dass Deutschland weiterhin Anspruch auf den Posten bei der EZB erhebt. Mit der Ökonomin Claudia Buch, Sabine Lautenschläger, Vize der Bundesbank, und Elke König, Chefin der Aufsichtsbehörde Bafin, sind gleich drei Frauen im Gespräch für die Nachfolge.
EU-Kommissar noch unbekannt
Bedeckt halten sich die Koalitionäre, wen sie Ende kommenden Jahres als EU-Kommissar nach Brüssel schicken wollen. Aus Koalitionskreisen ist zu hören, dass Merkel die Europawahl im Mai 2014 abwarten will und erst dann abhängig vom Ergebnis entscheidet. In früheren Koalitionen hatten die Partner im Vorhinein festgelegt, welche Partei den Kommissar stellt. In Brüssel macht sich der bisherige Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz Hoffnungen auf den Posten und sieht sich gar schon als kommenden Präsidenten der EU-Kommission. Doch abgesehen davon, dass die Sozialdemokraten wohl kaum als stärkste Kraft aus den Europa-Wahlen hervorkommen, dürften einige Länder Einspruch gegen einen Kommissionspräsidenten aus dem größten Land der Union einlegen.
In der Energiepolitik bekommt Deutschland schon einmal Gegenwind aus Brüssel. An diesem Mittwoch wird EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia gegen Deutschland ein Beihilfeverfahren eröffnen, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Frage stellt. Da das EEG den Kern der Energiewende bildet, könnte dieses Verfahren große Auswirkungen haben. Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger hat bisher ausdauernd gemahnt, die Deutschen planten ihre Energiepolitik, als ob sie auf einer Insel lebten. Brüssel könnte sie bei diesem Thema zwingen, mehr Rücksicht auf ihre Nachbarn zu nehmen.