Das flauschige Eisbärenbaby Knut aus dem Berliner Zoo wurde zum Medienstar und in der Folge zu einer Handelsmarke kommerzialisiert, mit der zahlreiche Merchandising-Artikel (Sportartikel, Spielzeug, Bekleidung, Schuhe uam) beworben wurden. Ein britisches Unternehmen wollte von seiner Popularität ebenfalls profitieren und provozierte damit einen interessanten markenrechtlichen Streitfall in der EU.
[[image1]]Knut ist der Name eines legendären Eisbären, der am 5. Dezember 2006 im Berliner Zoo geboren und gleich danach von seiner Mutter verstoßen wurde. Er wurde in der Folge von seinem Pfleger Thomas Dörflein mit der Flasche aufgezogen und avancierte in Kürze zum Medienstar. Mehr als elf Millionen Besucher des Berliner Zoos sahen Knut zu Lebzeiten. Knut stürzte im März 2011 infolge einer Gehirnentzündung vor den Augen zahlreicher Schaulustiger in das Wasserbecken seines Geheges und ertrank. Sein Tod bewegte die Menschen, ebenso wie der seines Pflegers, der bereits 2008 verstorben war.
Auch nach seinem Tod blieb Knut seinen Anhängern im Gedächtnis. Zoodirektor Bernhard Blaszkiewitz ließ im Zoo eine Bronzestatue „Knut – Der Träumer“ errichten und sein präparierter Corpus wurde in den europäischen Museen herumgereicht. Jüngst war er zB im staatlichen Naturkundemuseum der Niederlande in Leiden zu sehen.[1] Abbildungen von Knut finden sich aber auch auf Gedenkmünzen, Schokoladenpackungen, Müsliriegeln usw.
Das Andenken an den Publikumsliebling ist noch heute bare Münze wert und weckte dementsprechend auch kommerzielle Begehrlichkeiten. Es ist so wertvoll, dass zwischen dem Berliner Zoo und einem britischen Unternehmen ein veritabler markenrechtlicher Streit entstanden ist, der zunächst im Schoß des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt als zuständiges Markenamt und danach durch ein Urteil des Gerichts der EU entschieden wurde. Das dabei unterlegene britische Unternehmen hat sich aber vorbehalten, unter Umständen den Gerichtshof der EU mit einem Rechtsmittel anzurufen.
Markenrechtliche Kompetenz der EU
Bevor auf den konkreten markenrechtlichen Streitfall eingegangen werden kann, muss zunächst ein Blick auf die markenrechtliche Situation in der früheren Europäischen Gemeinschaft (EG) und der nunmehrigen Europäischen Union (EU) geworfen werden. Um es den Unternehmen zu ermöglichen, ihre Tätigkeiten in den Bereichen der Herstellung und des Vertriebs von Waren und Dienstleistungen an die Dimensionen des Binnenmarktes anzupassen, musste ein rechtlicher Rahmen für die Verwendung von Marken, mit denen die Unternehmer ihre Waren und Dienstleistungen im Binnenmarkt kennzeichnen können, geschaffen werden. Interessanterweise war dafür in den Verträgen keine Rechtsgrundlage vorgesehen, sodass diese erst durch Inanspruchnahme der „Lückenschließungsklausel“ des Artikels 308 EG-Vertrag (heute Artikel 352 AEUV) geschaffen werden musste. Dementsprechend stützte sich auch das erste einschlägige Sekundärrecht, nämlich die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke[2], auf diese Hilfskompetenz. 2009 wurde die Verordnung (EG) Nr. 40/94 durch die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (kodifizierte Fassung) novelliert und dabei weiter ausgestaltet.[3]
Im einheitlichen Markensystem der EG bzw der EU können die Unternehmen in einem einzigen Verfahren Gemeinschaftsmarken erwerben, die EU-weit einen einheitlichen Schutz genießen und im gesamten Binnenmarkt wirksam sind. Das gemeinschaftliche Markenrecht tritt allerdings nicht an die Stelle der Markenrechte der Mitgliedstaaten, da es nicht gerechtfertigt erscheint, die Unternehmen zu zwingen, ihre Marken als Gemeinschaftsmarken anzumelden, da die innerstaatlichen Marken nach wie vor für diejenigen Unternehmen notwendig sind, die keinen Schutz ihrer Marken auf Gemeinschaftsebene wünschen.
Die deutsche Wortmarke KNUD
Die Zoologische Garten Berlin AG entdeckte sehr früh den Werbewert von Knut und versuchte diesen so gut als möglich zu vermarkten. Dementsprechend meldete das Unternehmen am 19. Februar 2007 die Wortmarke KNUD für Waren in den Klassen 9 (Tonträger, insbesondere Hörbücher; Magnetdatenträger; optische Datenträger), 16 (Druckerzeugnisse, insbesondere Bücher) und 28 (Puppen (Spielwaren); Spiele; Spielzeug; Plüschtiere) des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957[4] an, die am 3. Mai 2007 auch beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) – einer in Alicante/Spanien ansässigen Agentur der EU[5] – eingetragen wurde.
Die Gemeinschaftsmarke „KNUT – DER EISBÄR“
Am 27. April 2007 meldete das britische Unternehmen Knut IP Management Ltd mit Sitz in London gemäß der vorerwähnten Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke[6] beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt die Gemeinschaftsmarke mit dem Wortzeichen „KNUT – DER EISBÄR“ für Waren und Dienstleistungen in den Klassen 16 (Papier; Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind), 25 (Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen), 28 (Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind) und 41 (Sportliche Aktivitäten) des Abkommens von Nizza (1957) an. Diese Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 52/2007 vom 17. September 2007 veröffentlicht.
Der Markenstreit vor dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt
Unter Berufung auf seine ältere, registrierte Wortmarke KNUD erhob der Markeninhaber, die Zoologischer Garten Berlin AG, am 17. Dezember 2007 Widerspruch gegen die Eintragung der Marke KNUT – DER EISBÄR, da zwischen beiden Marken eine unzulässige Ähnlichkeit und damit auch eine entsprechende Verwechslungsgefahr bestehe. Am 20. April 2009 wies die Widerspruchsabteilung des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt den Widerspruch teilweise zurück und führte als Begründung dazu aus, dass zwischen einigen der von der Marke KNUT – DER EISBÄR erfassten Waren und Dienstleistungen und den von der älteren Marke KNUD umfassten Produkten keine Ähnlichkeit bestehe, sodass diesbezüglich auch keine Verwechslungsgefahr gegeben sei. Bei den anderen, von der Marke KNUT – DER EISBÄR erfassten Waren und Dienstleistungen bestünde allerdings eine gewisse Ähnlichkeit, sodass dort eine Verwechslungsgefahr angenommen werden könne.
Mit Entscheidung vom 17. März 2010[7] hob die Erste Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt diese Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf und gab dem Widerspruch hinsichtlich aller von der Marke KNUT – DER EISBÄR erfassten Waren und Dienstleistungen statt. Zum einen führte sie diesbezüglich aus, dass zwischen den inkriminierten Waren und Dienstleistungen teilweise Identität und teilweise eine mehr oder weniger entfernte Ähnlichkeit bestehe. Zum anderen stellte sie fest, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen wegen der Identität der ersten drei Buchstaben beider Zeichen (KNU) erhebliche bildliche Ähnlichkeit aufweisen, dass ferner zu berücksichtigen ist, dass auf der klanglichen Ebene die erste Silbe in beiden Fällen ident ausgesprochen werde und dass in begrifflicher Hinsicht die beiden Zeichen wegen der Vornahmen KNUT und KNUD, die von den angesprochenen Verbraucherkreisen als identer Vornahme wahrgenommen würden, zumindest zu einem mittleren Grad ähnlich seien. Diesbezüglich vermag auch die zusätzliche Wortfolge „DER EISBÄR“ die Identität der beiden Zeichen im Wortanfang „KNU“ nicht aufzuheben.
Der Markenstreit vor dem Gericht der EU
Am 31. Mai 2010 erhob nun das britische Unternehmen Knut IP Management Ltd gegen das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt vor dem Gericht der EU (EuG) Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer, der sich als Streithelfer die Zoologischer Garten Berlin AG anschloss. Mit Urteil vom 16. September 2013[8] wies das Gericht aber die Klage ab und begründete dies wie folgt. Nach ständiger Judikatur liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Die Verwechslungsgefahr ist dabei umfassend, insbesondere unter Berücksichtigung der Zeichenähnlichkeit und Produktähnlichkeit zu beurteilen, wobei auf einen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist.
Zum Vergleich der Zeichen der beiden Wortmarken stellte das EuG, ebenso wie die Erste Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt, auf den bildlichen, klanglichen und begrifflichen Aspekt derselben ab und hält nach eingehender Prüfung fest, dass die Beschwerdekammer bei der Prüfung der bildlichen, klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeit zwischen der angemeldeten Marke „KNUT – DER EISBÄR“ und der älteren Marke „KNUD“ keinen Fehler begangen hat, indem sie eine teilweise Ähnlichkeit „zu unterschiedlichen Graden“ angenommen hat und daher von einer Verwechslungsgefahr für alle geschützten Waren ausgegangen ist, ohne zwischen diesen näher zu unterscheiden. Dementsprechend konnte die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Schluss gelangen, dass angesichts der Identität bzw der Ähnlichkeit der Waren der Grad der Ähnlichkeit der Zeichen ausreichend ist, um festzustellen, dass die Gefahr einer Verwechslung oder gedanklichen Verbindung im deutschsprachigen Raum besteht.
Fazit
Auch diese Rechtssache zeigt einmal mehr die bereits erreichte Durchdringung bzw Überlagerung – hier des Immaterialgüterrechts im Bereich des Markenschutzes – der nationalen Rechtsordnungen durch das verbandliche Unionsrecht der EU nachdrücklich auf. Des Weiteren verdeutlicht sie die enorme Bedeutung der Judikatur der Gerichte im Schoß der EU, die nach ihrer eigenen ständigen Judikatur vorgehen und dabei vor allem auf die Funktionssicherung der Union und ihres Binnenmarktes abstellen. Assoziiert „Otto Normalverbraucher“ heute – bei der beinahe unüberblickbaren Vielfalt von eingetragenen Label und Markennamen – tatsächlich bei der Lektüre von „KNUT – DER EISBÄR“ das tollpatschige Fellknäuel Knut, das Anfang 2007 im Berliner Zoo die Besucher so verzaubert hat, dass sie ihm scharenweise gefolgt sind und das danach als Wortmarke KNUD geschützt wurde?
Das EuG nimmt wegen der Ähnlichkeit der Zeichen KNUT und KNUD – DER EISBÄR sowie der Ähnlichkeit der dadurch markenrechtlich geschützten Waren und Dienstleistungen eine eindeutige Verwechslungsgefahr im deutschsprachigen Raum an. Wie lange assoziiert aber „Otto Normalverbraucher“ KNUT mit KNUD in einer verwechslungsfähigen Gleicheit? Eine Reihe von Jugendlichen, die heute von der alten Marke KNUD – und ihrem Schutzgegenstand, den putzigen jungen Eisbären Knut – keine Ahnung mehr haben, ist offensichtlich in der entscheidenden Figur des durchschnittlichen „Normalverbrauchers“ nicht mehr inkludiert.
[1] Vgl. Eisbär Knut als Werbestar: Berliner Zoo siegt vor EU-Gericht, eu-info vom 16. September 2013.
[2] Amtsblatt 1994, L 11, S. 1 ff.
[3] Amtsblatt 2009, L 78, S. 1 ff.
[4] BGBl. Nr. 45/1970.
[5] Vgl. dazu allgemein Hummer, W. Von der „Agentur“ zum „Interinstitutionellen Amt“, in: Hammer/Somek/Stelzer/Weichselbaum (Hrsg.), Demokratie und sozialer Rechtsstaat in Europa, FS für Theo Öhlinger (2004), S. 92 ff.
[6] Siehe Fußnote 2.
[7] Rechtssache R 650/2009-1.
[8] EuG, Rechtssache T-250/10, Knut IP Management Ltd/Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle); Urteil noch nicht amtlich veröffentlicht.
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