Alles Fußball – selbstverständlich auch an dieser Stelle. Bei der EURO 2016 zeichnet sich jedenfalls ab, dass Kickerteams in drei Kategorien einzuteilen sind: Die einen stehen für Power-Fußball, den beispielsweise die Nationalmannschaften von Ungarn, Island oder Russland praktizieren. Deren Spieler sind durchwegs groß gebaut, schnell, kampf- und kopfballstark, setzen auf Mannschaftsgeist und Kollektiv, verzichten jedoch – notgedrungen – auf technische Kunststücke. Sie setzen eisern die Taktik ihres Trainers um und ordnen alles dem Endzweck unter – den Ball irgendwie ins gegnerische Tor zu knallen. Fazit: Diese Truppen ohne bekannte Namen haben bisher zwar aufgezeigt, doch Champion werden sie wohl nicht.
Die zweite Spezies bevorzugt eher den so genannten Tecno-Fußball und will – so wie etwa die Spanier, die Franzosen, die Italiener oder die Portugiesen – am liebsten mit allen möglichen Tricks und Einlagen sowie bisweilen genialen Kombinationen spielerisch überzeugen. Dafür agieren diese Teams in der Regel weniger rasant, weniger brutal und mit weniger taktischer Disziplin, weil sich ihre Akteure zumeist als Individualisten verstehen. Der Jubel von den Rängen ist – wie sich in Frankreich wieder zeigt – am ehesten Topstars wie Andres Iniesta, Paul Pogba, Leonardo Bonucci oder Cristiano Ronaldo sicher – ob einer von ihnen am 10. Juli über den Pokal jubeln kann, ist freilich noch ungewiss.
Die dritte Kategorie – dazu gehören beispielsweise Deutschland, England, Wales oder Polen – versucht die beiden Extreme irgendwie zu kombinieren: Also technisch gepflegten Tempo-Fußball zu bieten, der möglichst gefällig anzuschauen und dennoch effizient ist, Kraft mit technischer Brillanz zu verbinden, um auf diese Weise den jeweiligen Gegner fertig zu machen. Ein Toni Kroos, ein Wayne Rooney, ein Gareth Bale oder ein Robert Lewandowski verkörpern diese Spielweise auf optimale Weise – ob ihre Mannschaft letzten Endes Europameister wird, steht ebenfalls in den Sternen.
Ganz andere Spielregeln
Wenn man nun diese Kategorisierung auf die europäische Politik übertragen möchte, scheitert man auf Anhieb. Erstens, weil so gut wie alle Regierungen auf ähnliche Weise gemäß ähnlichen Strategien operieren und es zwischen ihnen kaum nennenswerte Unterschiede zu orten gibt. Zweitens, weil die Spielregeln im Fußballsport wesentlich präziser und auch unbarmherziger sind als jene in der Politik: Wer in 90 Minuten am Rasen nichts zusammenbringt oder gar largiert, wird zumeist auf die Bank geholt – erfolglose Regierungschefs oder unfähige Minister hingegen können in der Regel bloß bei den nächsten Wahlen ausgetauscht werden; wer die taktischen Anweisungen oder Wünsche seines Trainers ignoriert, darf beim nächsten Mal nicht mehr spielen – eine Regierung, die ihr Programm nicht umzusetzen versteht und der Wählerschaft bloß Scheinaktivitäten vorgaukelt, wird dafür höchstens von den Medien ausgepfiffen; wer jedoch langfristig nichts zusammenbringt, vergrämt und verliert letztlich die Anhänger – im Fußballgeschäft steigt er in die untere Liga ab, für Parteien heißt das Politikverdrossenheit.
Letztlich geht es in der Politik nur höchst selten um Schnelligkeit und nachweisbare Erfolge – sprich Tore – und eben so wenig um die brillante Umsetzung kreativer Ideen bzw. Dringend erforderlicher Reformen. Da wird zumeist auf Teufel komm raus Zeit geschunden und zugleich trickreich kaschiert, dass man bei bestimmten Themen keinen Meter vorwärts kommt. Es fehlt häufig an einer schlüssigen Taktik, wie die Ziele am besten umzusetzen wären, es mangelt oft an der nötigen Kooperationsbereitschaft, um sich letztlich behaupten zu können, sowie am erforderlichen Kampfgeist, und es gibt obendrein kaum den auf dem grünen Rasen unbedingt erforderlichen Siegerwillen – Politiker treten ja weder in einer Meisterschaft noch bei einer EURO in Erscheinung. Unbestritten indes ist, dass brutale Fouls, Missverständnisse, kleinere und größere Rangeleien und Blackouts im politischen Gewerbe genau häufig, wenn nicht noch häufiger stattfinden als bei einem durchschnittlichen Fußballmatch. Und während das Resultat am Ende eines Spiels eindeutig und irreversibel ist, bleibt es nach einer Legislaturperiode zumeist schwammig, sodass die Zuschauer – anders als im Stadion – nachher kaum jemals wissen, wie sie eigentlich dran sind.
Im Fussballsport wird langmächtig am richtigen Spielsystem getüftelt, wobei sich sämtliche Trainer der offenbar alles entscheidenden Frage zu stellen haben, ob 4-4-2, 4-3-2-1, 4-1-4-1, 4-2-3-1 oder gar 4-1-3-2 die optimalste Variante darstellt, um den Gegner am mühelosesten niederzuringen. In der Politik denkt diesbezüglich kaum jemand nach, sodass oft der Eindruck entstehen muss, dass dem Zufall Tür und Tor geöffnet sind. Freilich: Das Um und Auf einer Mannschaft ist die ideale Zusammensetzung, naturgemäß Grundvoraussetzung jeglichen Erfolgs – nicht nur im Fußball, sondern auch in der Politik. Diesbezüglich sind jedoch prominente Vereine, die für Neuerwerbungen viele Millionen auszugeben bereit sind, ungleich besser dran als so gut wie alle Parteien, deren Personaldecke sich im Ernstfall zumeist als hauchdünn erweist. Der Transfermarkt für Kicker bietet Vereinen laufend riesige Chancen, sich zu verstärken, sich zu verändern und sich zu verbessern – leider undenkbar bei Regierungen, die mangels Alternativen zumeist auf Weiterwursteln programmiert sind. Eines ist indes abschließend noch anzumerken: Europas Fußballstars verdienen in fast allen Ligen allesamt deutlich mehr als etwa Regierungsmitglieder in sämtlichen Staaten – aber kein einziger Kicker-Fan hat daran selbst bei Jahresgagen von zig Millionen auch nur das Geringste auszusetzen…
EUROPAS POLIT-TEAM Das folgende, natürlich nicht tierisch ernst gemeinte Experiment, ein politisches Europa-Team zu nominieren, das jedem Gegner Paroli bieten und alle derzeitigen Probleme beseitigen könnte, macht deutlich, wie dünn die Personaldecke nicht nur in der Europäischen Union ist, sondern genauso in den umliegenden Staaten.
Tormann: Verteidigung: Mittelfeld: Sturm: |