Donnerstag, 21. November 2024
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Was wird aus Hans Jörg Schelling?

Hans Jörg Schelling: Groß, doch nicht groß genug, um als Chef der Euro-Gruppe zu fungieren? Foto © Creative Commons Wikimedia/Anton Urb (Ausschnitt).

 

Für den Finanzminister ist mit 64 noch lange nicht Schluss –  aber wo gibt’s einen Job für ihn?

Schuld an der riesigen, landesweiten Verwirrung war das „Handelsblatt“. Die deutsche Wirtschaftszeitung berichtete am 9. November, dass der Österreicher Hans Jörg Schelling als neuer Chef der Euro-Gruppe so gut wie fix sei. Wie sich bald herausstellte war’s eine riesige Zeitungsente. Gute Chancen, Jeroen Dijsselbloem im Jänner nachzufolgen, haben tatsächlich die Finanzminister von Luxemburg und der Slowakei, möglicherweise auch Frankreichs Bruno Le Maire – Schelling jedoch nicht. Aus einem einfachen Grund: Er gehört dem Lager der konservativen Christdemokraten an, das bereits den Kommissions-, den Rats- und den Parlamentspräsidenten stellt. Der Job des Euro-Chefs wird auf Grund der derzeitigen Machtverhältnisse folglich entweder an einen Liberalen oder einen Sozialdemokraten vergeben.

Das „Handelsblatt“ schätzte die Tatsache, dass sich Vertreter der Europäischen Volkspartei angeblich auf den österreichischen Finanzminister geeinigt hätten, offenbar völlig falsch ein – und schien damit dessen politische Karriere zu verlängern: Hatte es bis vor kurzem ganz so ausgesehen, als würde Schelling nicht mehr in der neuen Bundesregierung sitzen, so deutete plötzlich alles darauf hin, dass er seine Funktion doch behalten darf – weil nur amtierende Finanzminister Chef der Euro-Gruppe werden können. Der ÖVP-Mann („Ich bleibe noch sehr lange Finanzminister“) verzichtete auf sein Nationalratsmandat und hängt nunmehr, wie’s aussieht, total in der Luft. Denn wenn sich Sebastian Kurz letztlich gegen ihn entscheidet, wäre Schelling sowohl in Brüssel als auch in Wien mit Bomben und Granaten durchgefallen.

Gerüchteweise ist zu hören, dass sich der Finanzminister selbst geschickt als EU-Aufsteiger positioniert habe, um seinen Job zu retten. Eine ähnlich geartete Pokereinlage wird Agrar- und Umweltminister Andrä Rupprechter zugetraut, der eben so wenig ein Fixticket in der türkis/blauen Bundesregierung hat: Er soll im Ausschuss der Regionen (AdR) unverblümt mit der Frage angeklopft haben, ob er nicht dessen Generalsekretär werden und damit nach Brüssel heimkehren könne. Nachdem der begehrte Posten frühestens 2019 frei wäre, war auch prompt zu vernehmen, dass Rupprechter nichts dagegen hätte, im nächsten Karrieresprung gleich EU-Kommissar zu werden – wie wohl bekannt ist, dass Johannes Hahn zurzeit diese Funktion bekleidet. Fazit: So erfreulich es auch wäre, wenn sich Österreich EU-intern hochrangiger positionieren könnte und künftig mehr mitzureden hätte als bisher – die beiden ÖVP-Minister werden in Brüssel nach menschlichem Ermessen nicht zum Zug kommen.

Nationalbank oder Weingut

Bleiben wir beim Fall Schelling: Der gebürtige Vorarlberger hat sich drei Jahrzehnte lang als Topmanager von Leiner/Kika bzw. XXXLutz einen Namen machen können, doch seine politischen Ambitionen erfüllten sich erst ziemlich spät: 2001 startete er in St. Pölten als Gemeinde- und Stadtrat, 2007 zog er für eineinhalb Jahre in den Nationalrat ein, dann verfehlte er ein Direktmandat. Mehr Glück hatte er bei der Wirtschaftskammer, deren Vizepräsident er 2004 geworden ist – und die machte ihn relativ rasch zum Vorsitzenden des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. Schon dank seiner imposanten Garde-Statur schien Schelling als Kammerreformer ebenso perfekt geeignet zu sein wie als oberster Boss des Sozialsystems. Es war eigentlich bloß eine Frage der Zeit, bis nach Michael Spindeleggers Rücktritt als Finanzminister die Wahl auf ihn gefallen ist. Als vermögender Mann völlig unabhängig, hat er diesen Job trotz kompliziertem Umfeld durchaus passabel erledigt und ist – auch wenn er demnächst 64 wird – alles andere als amtsmüde.

Die absolute Krönung seiner Karriere wäre für ihn, Chef der Euro-Gruppe zu werden. Leider wird es das nicht spielen, weil der riesige Österreicher für diese Rolle vielleicht doch eine Nummer zu klein ist. So etwa spricht unter anderem gegen ihn, dass er in jüngster Zeit ähnlich wie seine Kollegen in Großbritannien, Malta, Zypern und Irland im Kampf gegen Steueroasen wahrlich nicht zu den Hardlinern zählt. Man könnte ihm ankreiden, dass er sich damit nicht in guter Gesellschaft befindet. Ob ihn Sebastian Kurz ausrangieren wird, ist wohl noch nicht entschieden. Womöglich wird Schelling ein Posten angeboten, der überaus prestigeträchtig ist: nämlich, Nachfolger von Claus J. Raidl, der nächstes Jahr in den Ruhestand tritt, Präsident der Österreichischen Nationalbank zu werden. Und sollte auch daraus nichts werden, bleibt ihm noch die Option, sich ganz auf sein Weingut in Herzogenburg zu konzentrieren.

PS: Für Andrä Rupprechter wird höchstwahrscheinlich lediglich ein Platz im Hohen Haus rausschauen. Zuletzt ist der Minister aus Tirol unangenehm aufgefallen, weil er das Umweltbundesamt im Zuge einer schrulligen Einzelaktion von Wien nach Klosterneuburg übersiedeln möchte – was Kritiker für Schwachsinn halten….

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