Die Immobilienpreise in den wirtschaftlich stabilen Ländern der Euro-Zone steigen weiter rasant. Und ein Ende ist nicht absehbar. Doch allmählich wächst die Furcht vor einer gigantischen Blase. Noch wiegeln viele Branchenkenner ab, doch die Alarmsignale mehren sich.
[[image1]]„Blase? Wo ist denn bitte die Blase?“, fragt der Anlageberater leicht genervt in die Runde, nachdem ihn potenzielle Kunden mit Fragen zu den überteuerten Immobilien und immer neuen Allzeit-Hochs an den Börsen gelöchert haben. Natürlich erkennt der Investment-Experte keine Blase. Und wenn, würde er wohl kaum darüber reden, schließlich möchte er ja Geschäfte machen. Außerdem: Ob es tatsächlich eine Blase gibt, weiß man in aller Regel erst dann, wenn sie platzt. Das ist dann der definitive Beweis.
Indizien für eine Blasenbildung freilich gibt es sehr wohl – vor allem, wenn man sich die Immobilienmärkte in Deutschland, Österreich und in der Schweiz anschaut. Vor wenigen Tagen etwa musste die Zürcher Immobiliengesellschaft Ledermann ihren Börsengang absagen. Eigentlich war geplant, fast 1,4 Millionen neue Namensaktien zu einem Preis zwischen 89 und 103 Franken zu platzieren. Doch dafür fanden sich nicht genug Investoren. Von einem „Warnschuss für den Schweizer Immobilienmarkt“ sprechen nun die Experten und verweisen auf die in den vergangenen Jahren drastisch gestiegenen Immobilienpreise. Gebaut werde eigentlich nur noch, um den immensen Kapitalzugang der vergangenen Monate in Beton umzuwandeln, heißt es. Auf diese Weise wird aus Betongold aber schnell eine Betonfalle.
Déjà-vu: Die Flucht ins Betongold
Nach dem Platzen der Internetblase vor über zehn Jahren war eine ähnliche Flucht ins angeblich sichere Betongold zu beobachten. Immer mehr private Anleger kehrten damals den Börsen den Rücken und investierten ihr Geld angeblich absolut sicher und mit guten und teilweise sogar steuerfreien Renditen in Immobilienfonds. Die Branche und ihre Protagonisten verdienten prächtig. Das Geld der Anleger floss vorrangig in Gewerbeimmobilien in London und Paris. Vor allem langfristig an solvente Kunden vermietete Bürogebäude in bester Lage waren gefragt. Sie erreichten schnell „Mondpreise“.
Ein paar Jahre funktionierte das ganz gut, doch dann jagte die vom US-Immobilienmarkt ausgehende Finanzkrise gewaltige Schockwellen rund um den Globus. Und manche der „solventen Mieter“ in den Bürotürmen von London, Paris, Brüssel und Frankfurt wurden unversehens zu Sanierungsfällen. Die Anleger erkannten: Es ist längst nicht alles (Beton-)Gold, was glänzt. Auch hinter glänzenden Hochhausfassaden können wirtschaftliche Pulverfässer lagern. Als immer mehr Kunden ihr Geld aus den Fonds abzogen, wurden diese illiquide, mussten vorübergehend geschlossen und einige am Ende sogar liquidiert werden.
Damals war es der Aktien-Crash nach der Jahrtausendwende, der die Anleger massenhaft ins Betongold flüchten ließ. Heute sind es die künstlich niedrig gehaltenen Zinsen und die Furcht vieler Anleger, die Euro-Krise könnte – allen anderslautenden Behauptungen der Politiker zum Trotz – doch noch nicht ausgestanden sein.
Die ultralockere Geldpolitik der führenden Notenbanken lässt an den wichtigsten Märkten die Immobilienpreise explodieren – nicht zuletzt in den USA, wo in manchen Bundesstaaten die Häuserpreise seit 2012 um bis zu 30 Prozent gestiegen sind.
In Europa verteuern sich die Immobilienpreise naturgemäß in jenen Ländern besonders rasant, die als weitgehend stabil gelten. In Luxemburg zum Beispiel stiegen die Preise für neue Eigentumswohnungen in guter Lage allein im vergangenen Jahr um bis zu 8,7 Prozent. Auch die durchschnittlichen Mieten im Großherzogtum erhöhten sich um rund acht Prozent. Das sorgt unter anderem dafür, dass sogar im benachbarten Trier, eigentlich eine eher abgelegene deutsche Mittelstadt, die Preise zulegen. Denn verglichen mit Luxemburg ist das Moselstädtchen immer noch etwas günstiger.
Hohes zweistelliges Wachstum in Deutschland
Vor allem aber sorgen institutionelle Anleger aus dem Ausland dafür, dass sich das Rad auf den begehrten Immobilienmärkten immer schneller dreht. Allein in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres wechselten in Deutschland Gewerbeimmobilien im Gesamtwert von über 19 Milliarden Euro ihre Besitzer. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 14,9 Milliarden Euro. Das heißt, der deutsche Gewerbeimmobilienmarkt ist in diesem Jahr bislang um 28 Prozent expandiert. Vermutlich wäre das Investitionsvolumen noch höher ausgefallen, wenn mehr geeignete Objekte zur Verfügung gestanden hätten. Gefragt sind dabei in erster Linie Bürotürme und Shoppingcenter. Fast ein Drittel der Gesamtinvestitionen geht dabei auf ausländische Käufer zurück. In den ersten drei Quartalen strömten fast sechs Milliarden Euro an ausländischem Kapital in deutsche Gewerbeobjekte.
Unterdessen werden in großen Städten zunehmend leerstehende Bürogebäude in Miet- und Eigentumswohnungen umgewandelt. Aufgrund des akuten Wohnungsmangels lassen sich damit höhere Renditen erzielen als mit Büroflächen.
Und ein Ende des Preisanstiegs in Ländern wie Österreich, Deutschland, Luxemburg und in der Schweiz scheint nicht absehbar. Marktexperten erwarten auch in den nächsten zwei bis drei Jahren steigende Kauf- und Mietpreise, wenngleich die Verteuerung etwas moderater als in jüngster Vergangenheit ausfallen dürfte. Das wiederum könnte nicht überraschen, denn die Luft wird dünner. In Deutschland zum Beispiel werden in diesem Jahr die Wohnungspreise nach Berechnungen des Instituts Kiel Economics im Schnitt um zehn Prozent zulegen. Das ist der stärkste Preiszuwachs seit 1990.
Eine Blase? Der frühere Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, sieht zumindest eine akute Gefahr: „Bei den Vermögenspreisen, bei Immobilien und Aktien wird eine neue Blase entstehen“, betonte er dieser Tage in einem Interview. Aber wie gesagt: Ob es tatsächlich eine war, werden wir erst wissen, wenn sie platzt. Möglicherweise fallen dann die Preise beim Betongold ähnlich stark wie beim Edelmetall in den vergangenen Monaten.
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