Der Fall des Abgeordneten Efgani Dönmez hat mehrere Aspekte. So zeigt er auch auf, wie leicht man mit dahin geworfenen Worten via Twitter und Facebook sich selbst aus dem Spiel nehmen kann.
So schnell war ein Politiker noch ganz selten von einer Partei an die Luft gesetzt worden. Diese Erfahrung musste der türkisch stämmige Parlamentarier der Volkspartei, Efgani Dönmez, machen. Keine vier Tage vergingen zwischen einer sexistischen Bemerkung, die er im sozialen Netzwerk Twitter abgegeben hatte, bis dass er vom ÖVP-Parlamentsklub ausgeschlossen worden war. Dazwischen gab es noch einen Sturm von Postings vor allem entrüsteter Bürgerinnen und mehrere Versuche von Dönmez, die Wortwahl zu korrigieren und neu zu interpretieren. Vergeblich, dem Tweet-Tsunami gab es kein Entrinnen.
Handeln im Affekt
Dieser Fall hat freilich auch deutlich gemacht, nicht nur welche Möglichkeiten das Internet in der Kommunikation geschaffen hat, sondern welche Risken gerade die Social Media bergen. Die so genannte Echtzeit, dass man weltweit überall präsent und dabei ist, jederzeit sofort reagieren kann, wird zur Falle. Vor allem dann, wenn man aus der sprichwörtlichen Hüfte schießt, im Affekt handelt und dabei übersieht, wie man plötzlich über Ziel schießt, weil die Emotionen nicht rechtzeitig auf Halt umgeschaltet haben. Dazu kommt, dass gerade die Social Media eine unübersehbare Zahl von meist anonymen Mit-Lesern haben, die rund um die Uhr nur darauf lauern, sich in eine Message einzulinken und diese aufzublasen, ohne dass man dagegen etwas unternehmen kann, ja fast hilflos der Wort-Welle ausgeliefert ist.
Der tägliche Tweet als Tätigkeitsnachweis
Hier zeigt sich eine Entwicklung, die in den letzten beiden Jahrzehnten Platz gegriffen und die Kommunikation revolutioniert hat. Wo immer etwas auf der Welt geschieht, jeder der in das elektronische Netzwerk eigebunden ist, kann zur Echtzeit dieses Geschehen mitverfolgen. Und in vielen Fällen dann auch noch an der laufenden Diskussion teilnehmen. Gerade die Politik hat von dieser Form der Information geradezu Besitz ergriffen. Jeder Politiker, der etwas auf sich hält, twittert oder berichtet via Facebook über seine Aktivitäten. War es früher die Presseaussendung, die die Funktion eines Tätigkeitsnachweises erfüllte, ist es heute das Selfie nach jeder Sitzung. Dabei zeigt sich aber auch eine gewisse Ausdünnung in den Botschaften. Es sind weniger die Inhalte, die da transportiert werden (für sie ist ohnedies zu wenig Platz), als irgendeine billige Botschaft, mit der man zudem beweisen will, dass man im Dienste der Bürger unterwegs und aktiv ist.
Social Media schaffen eine eigene Welt
Die Schnelligkeit der Übermittlung einer Nachricht hält freilich meist nicht mit der Qualität des Inhalts Schritt. Das Austauschen von SMS mit 180 Zeichen, das Absetzen einer Nachricht auf Twitter mit 280 Zeichen, ein Video-Spot auf Facebook können nur eine Spontan-Reaktion vermitteln. Sie sind aber nicht imstande ein Gespräch zu ersetzen, bei dem man eben auch die Möglichkeit hat, etwas zu erklären, vor allem aber nachzudenken, bevor man vorschnell ein Wort verliert, einen Satz von sich gibt, der verletzend wirkt. Gar nicht zu sprechen davon, dass die elektronische Übermittlung nicht imstande ist, echte Atmosphäre zu schaffen. Es ist eine eigene Welt.
Erst denken, dann reden
Weitgehend verloren gegangen ist mit der technologischen Entwicklung, dem Eintritt in das digitale Zeitalter ein Grundsatz, eine Empfehlung, die sich schon bei den alten Griechen in ihren Schriften findet und in dem einfachen Spruch gipfelt: Erst denken dann reden. Mehr noch, viele Philosophen haben sogar geraten, auf verbale Angriffe, auch auf tiefgründige Vorschläge nicht sofort zu antworten, sondern diese zu überschlafen – und dann erst aber dann eben überlegt zu reagieren. Die Echtzeit hat diese Nachdenkphase eigentlich abgeschafft. Kaum wird eine Nachricht ins Netz gestellt, schon wird geglaubt, dass man darauf sofort reagieren muss, ja es beginnt sogar ein Wettlauf, wer den ersten Tweet absetzt. Und von der Zahl der Postings leitete man dann auch noch ab, ob die Message bei den Bürgern angekommen ist – oder nicht.
Urzeit-Kommunikation vor 25 Jahren
Man kann die Zeit nicht mehr zurückdrehen, aber man muss sich doch vorhalten, wie gerade politische Kommunikation vor 25 Jahren funktioniert hat. Das waren für heutige Maßstäbe geradezu urzeitliche Zustände. Mobil-Telefonie war noch ein Luxus, den man sich in Ausnahmefällen leisten konnte. Stehbilder wurden per Funk übermittelt. Wenn ein Politiker im fernen Vorarlberg mit seiner Pressekonferenz abends in der ZiB präsent sein wollte, musste diese bis spätestens 11 Uhr vormittags über die Bühne gegangen sein. Denn dann musste der Redakteur mit der Video-Kassette erst nach Wien fahren, diese im Studio bearbeiten, ehe der Beitrag um 19 Uhr 30 auf Sendung gehen konnte. Bei Ereignissen jenseits des großen Teichs dauerte das Ganze noch um 24 Stunden länger, da man mit dem Flugzeug unterwegs sein musste. Gab es darauf eine Reaktion, so musste noch einmal eine Nacht vergehen, ehe der Perzipient vom Rezipienten eine Antwort erhielt.
So ändern sich die Zeiten
Leidvolle Erfahrung machte damit 1986 Kurt Waldheim im Präsidentschaftswahlkampf. Die Anschuldigungen gegen seine Kriegsvergangenheit, die in den US-Abendzeitungen erschienen waren, konnte man in Wien frühestens in den Morgenstunden lesen. Und dann dauerte es eine geraume Weile bis wohl formuliert, eine Antwort gefunden worden war. Bis diese Reaktion wieder in den Redaktionstuben der US-Medien gelandet war, waren bereits zwei Tage vergangen. Und so zog sich dies Hin und Her einen ganzen Wahlkampf hin. Bei Dönmez (wiewohl beide Fälle absolut nicht vergleichbar sind) lief die Diskussion in Echtzeit ab. Sie war nach vier Tagen zu Ende. Was bleibt ist die Warnung, dass man bei der Wortwahl die Festplatte, nämlich das Gehirn, nicht ausschalten darf. Vielleicht wird sich so mancher Politiker künftig mit der Echtzeit-Reaktion etwas zurückhalten.