Donnerstag, 14. November 2024
Startseite / Allgemein / Wer ist die Dreifach-Akademikerin, die Bundeskanzler Sebastian Kurz stürzte?

Wer ist die Dreifach-Akademikerin, die Bundeskanzler Sebastian Kurz stürzte?

Originalbericht vom 25. Oktober 2021: Newsblog des Plagiatsgutachters Doz. Dr. Stefan Weber.

Doz. Dr. Stefan Weber, Screenshot: plagiatsgutachten.com / Screenshot: exxpress.at, APA/Privat/Collage / Chefredakteur Richard Schmitt, Screenshot: Twitter

Vorneweg: Ich bin fasziniert von der Arbeit der österreichischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Meinen Recherchen zufolge gibt es eine Spezialstaatsanwaltschaft dieser Art nur in wenigen anderen Ländern, auch in Deutschland etwa nur vereinzelt in einigen Bundesländern. Die WKStA ist so etwas wie der institutionalisierte Stefan Weber für Korruption in Politik und Wirtschaft, die „bessere ÖAWI“ für diese sozialen Systeme. Ich habe mir sogar schon oft überlegt, der WKStA vorzuschlagen, ihre „Geschäftsfelder“ auch auf Hochschulkorruption auszudehnen oder ihr einige „meiner“ Plagiatsfälle zu schicken – in der Hoffnung, dass diese ehrlicher behandelt werden als von der ÖAWI. Und wir arbeiten ähnlich: Wir blicken mit digitalen Methoden in die Vergangenheit, sichern digitale Spuren (hier Handy-Chats, da Text-Übereinstimmungen) und fördern so Dinge zu Tage, von denen sich früher niemand gedacht hätte, dass sie einmal das Licht der Öffentlichkeit erblicken werden.

Am Donnerstag, den 07.10.21, also einen Tag nach dem Doomsday für Sebastian Kurz und sein Team, erhielt ich vom Chefredakteur des „Falter“, mit dem ich mich schon seit langem via WhatsApp austausche und der auf meinem Medienverteiler steht, den Auswertungs- und Analysebericht zum „Beinschab ÖSTERREICH Tool“ in jeweils ungeschwärzter Fassung. Schon am Briefkopf des Auswertungsberichts ist da ein Name, der mich naturgemäß sofort interessierte (der Name wird hier im Blog in allen Varianten immer abgekürzt dargestellt): „MMag. S. C. B., LL.M.“. Auf S. 3 des Auswertungsberichts wird festgestellt, dass es erst der (wörtlich in der Überschrift) „Zufallsfund“ dieser Mitarbeiterin der WKStA war, der zum Verdacht der Inseratenkorruption führte:

„Im Zuge der umfangreichen, über (vernetzte) Sichtung zahlreicher Chats erfolgte Datenauswertung ergab sich eine zusätzliche weitere Verdachtslage, zu der MMag. S. C. B., LL.M. nach Rücksprache mit den staatsanwaltschaftlichen Sachbearbeitern nach Durchführung weiterer Datenauswertungen entsprechende Ergebnisse festhält: […]“

Die Dreifach-Akademikerin mit dem Dreifach-Nachnamen

Nun war mein Interesse an dieser Mitarbeiterin geweckt und ich machte das, was ich immer mache: Ich google den Namen und interessiere mich für die akademischen Abschlussarbeiten. Erstaunen Nummer 1: Wenn man den vollen Namen unter Anführungszeichen googelt, kommen weltweit nur zwei Funde. Erstens ein Falter-Artikel vom 31.03.21, in dem der Klarname S. C. B. von Florian Klenk genannt wird (er war also schon damals im Besitz ungeschwärzter Akten), und zweitens ein acht Jahre altes Facebook-Posting. Klickt man auf dieses Facebook-Posting, stellt man fest, dass dieses ursprünglich unter einem anderen Nachnamen angelegt wurde, der in der Profil-URL noch sichtbar ist. Ruft man die Nachricht auf, erscheint ein dritter Nachname im Pofil, die Ermittlerin heißt nun „S. C. A.“. Dieser Nachname ist identisch mit dem jenes Oberstaatsanwalts der WKStA, der schon Ankläger bei Heinz Schaden und Sebastian Kurz war. Er likte auch schon vor Jahren das Foto von S. C. A. alias S. C. B.. Erstaunen Nummer 2: Es gibt in Österreich keine akademischen Abschlussarbeiten einer S. C. B., sehr wohl aber einer S. C., wieder mit anderem Nachnamen.– Eigentlich eine ganz simple Google-, Social-Media- und Datenbank-Recherche.

Wie der „exxpress“ auf meine Recherchen aufmerksam wurde

Ich schrieb in diesem Blog etwas zu S. C. B. mit voller Namensnennung, aber Florian Klenk bat mich eindringlich, die Passagen zu löschen, weil ich damit die Ermittlerin und die Ermittlungen gefährden würde. Außerdem habe er mir die Akten ungeschwärzt übermittelt, und zum Zeitpunkt der Übermittlung hatte noch kaum ein Journalist diesen Informationsstand. Ich kam seiner Bitte nach und sah ein, dass ich wohl zu tief in die Boulevardkiste gegriffen habe (in mir tickt immer auch der ehemalige Boulevardjournalist).

Diesen Samstag machte ich eine Anspielung auf den Fall auf Twitter, aus Anlass der Dienstfreistellung des Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt. Ich fragte in meinem Tweet, welche Beziehungen in einer Arbeitshierarchie „legitim“ seien und welche nicht und erwähnte das mögliche Problem im WKStA-Ermittlerteam. Einige Stunden später rief der „exxpress“ bei mir an. Der Rest ist im „exxpress“ und auf Twitter nachzulesen.

Es gibt so etwas wie ein Grundgesetz: Sobald ich über eine „Reichshälfte“ recherchiere, wird geglaubt, dass ich von der anderen bezahlt werde. Schon Christian Kern wollte mir im persönlichen Gespräch nicht glauben, dass ich seine publizistikwissenschaftliche Diplomarbeit aus reiner Neugierde und reinem Interesse gelesen und geprüft habe. Bei Baerbock hieß es, mich würde die CDU bezahlen. Nun glaubt man, ich wäre von ÖVP und „exxpress“ finanziert. Es ist alles Unsinn.

In Wahrheit recherchiere ich einfach zu Themen, die ich interessant finde. Ganz in der Tradition des Bloggens. Es ist in der Tat mein unbezahltes Hobby. Ich decke dabei manchmal Dinge auf, bei denen Journalist*innen nicht weiter vorgedrungen sind, wie im Fall Baerbock oder vielleicht nun in der Frage nach der Compliance in der WKStA. Ein bisschen kümmere ich mich, ganz in der Tradition des verflossenen „Addendum“, um „das, was fehlt“.

Berichte am 23.09. zuletzt geändert, knapp zwei Stunden später weiß es Böhmermann

Was ich abseits der Compliance-Frage zu einer Liebesbeziehung in einer Hierarchie eines Ermittlerteams aber für sehr aufklärungswürdig halte, ist die Frage der Metadaten: Das File, das ich von Florian Klenk erhalten habe, wurde am 23.09.2021 zuletzt geändert. Nur knapp zwei Stunden später zeichnete Jan Böhmermann seine ZDF-Satireshow auf (Sendetermin 24.09.), in der er bekanntlich sagte„Sebastian Kurz! I hoff, Du hast Dein Zimmer aufgräumt. I drück di gonz fest und i drück da die Daumen für die kommenden Wochn, Sebl. Du weißt scho, worums geht, gell?“

Man kann deshalb durchaus mit einiger Evidenz die Hypothese aufstellen, dass beide PDF-Files, Auswertungs- und Analysebericht, zum Versand an Böhmermann für jemanden erstellt wurden, lange bevor sie für die Verfahrensbeteiligten im digitalen Akt gelandet sind. Und diese Dateien könnten von derselben Person auch an Florian Klenk geschickt worden sein.

Quelle:

Ein Kommentar vorhanden

  1. Lieber Herr Schmidt,

    Ich las mit Interesse den Beitrag zur WKSTA bei Ihnen; da bricht ja jetzt eine Diskussion auf. Und weil Sie bei Schmitt über Themensetzung sprachen: ich versuchte mich zu erinnern, ob Florian Klenk früher auch vielen ein Begriff war. Tatsächlich war für Bereiche bekannt, mit denen man nur in einer bestimmten Szene einen Blumentopf gewinnt:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Florian_Klenk

    Also alles, was mit Asyl und Migration zu tun hat und gar nicht mal so sehr Korruption. Wobei er dann aber Gesprächsprotokolle aus Überwachung im Fall Grasser bekam. Das mutet aus heutiger Sicht fast an wie eine Blaupause für die Chats des Thomas Schmid. Ich weiss noch, dass die Leute in der Szene, die 2000 gegen die Regierung Schüssel demonstrierte, ihm gegenüber reserviert waren (in etwa so, dass er zu gute Kontakte zur Polizei habe).

    Das Asylthema war dann ja 2015 plötzlich sozusagen „mehrheitsfähig“ und dabei mischten Klenk und Falter auch mit. Und der Falter leitete den Abgang von Faymann mit ein; ich habe hier drei aufeinander folgende Titelbilder von 2016 zusammenmontiert:

    https://alexandrabader.files.wordpress.com/2018/10/signale.jpg

    Vielleicht erinnern Sie sich daran, wie heftig Klenk Herbert Kickl attackierte; das spreche ich hier auch an:

    https://alexandrabader.wordpress.com/2018/10/04/welche-agenda-verfolgt-der-falter/

    Es ist von 2018 mit ein paar Beispielen dafür, wie Klenk immer mehr zum Aktivisten wurde, nicht als Einziger beim Falter.

    Da Klenk eigentlich eine juristische Laufbahn einschlagen wollte und meinte, er bewirke in diesem Sinne schreibend mehr, muss er grosses Sendungsbewusstsein haben. Demnach ist seine Beteiligung zuerst bei Ibizagate und dann beim Sturz von Kurz für ihn wohl wie die Erfüllung eines Traumes.

    Wir wissen ja im Rückblick, dass es 2017 auch Ibiza gab; damals fiel auf, dass Klenk Pilz zum Rücktritt bewegte, nachdem Anna Thalhammer über ihn recherchierte. Moment – Thalhammer und die Silberstein-Affäre, Thalhammer und Pilz, Thalhammer und Pilnacek – besteht da ein Zusammenhang?

    2018 wurde über Klenk die Golan-Affäre gespielt, bei der er sich auf einen Informanten berief, wo mir dann Kenner der Verhältnisse sagten, dass es nicht so gewesen sein konnte. Klenk legte dann nochmal so auf Twitter nach:

    https://alexandrabader.files.wordpress.com/2018/05/2mai.jpg

    Das war aber doch zu entlarvend, sodass er dieses Posting wieder löschte.

    Wenn ich mir meine Eindrücke von ihm durch den Kopf gehen lasse, dann baute er sich via Asylthemen eine Fangemeinde auf, auf die er dann bauen konnte, wenn es ums Verändern der politischen Machtverhältnisse ging.

    Als es um Pilz ging, brachte Klenk das Kunststück fertig, ein Bekenntnis zu ihm als Journalismus in Bestform zu verkaufen:

    https://www.falter.at/zeitung/20171105/erklaerung-zum-fall-pilz

    Mit der sog. Liederbuchaffäre schadete er der FPÖ in NÖ, half aber letztlich Mikl-Leitner…

    Gegen Faymann, zuvor für Gusenbauer, für Kern und Mitterlehner, gegen Kickl, für Mikl-Leitner, gegen Kurz, gegen Strache, gegen Darabos, für Zadic, für Pilz- so kann man seine „Linie“ zusammenfassen..

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Das könnte Sie auch interessieren

OLG Wien – 03. Oktober 2024 – Freispruch für Prof. Gert Schmidt und Mitangeklagten

OLG Wien – 03. Oktober 2024 – Freispruch für Prof. Gert Schmidt und Mitangeklagten

  Mag. Timo Gerersdorfer ist Rechtsanwalt und Strafverteidiger und hat Prof. Gert Schmidt vertreten. Kommentar …