52 Prozent der Österreicher blicken laut Silvester-Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstituts IMAS pessimistisch in die Zukunft. Vor allem Frauen, Arbeiter und Pensionisten erwarten vom Neuen Jahr wenig Erfreuliches. Die negative politische Stimmung sowie Sorgen um den Arbeitsplatz drücken aufs Gemüt. Die Angst vor Terroranschlägen und Bedenken wegen der Flüchtlingsproblematik sorgen ebenfalls für mulmige Gefühle. Bei 38 Prozent der Befragten indes – insbesondere Jüngeren, gut Ausgebildeten sowie Besserverdienern – überwiegt die Zuversicht, sodass sie recht optimistisch ins nächste Jahr rutschen.
Wie stark Sorgen und Ängste einerseits bzw. Optimismus und positives Denken anderseits auch ausgeprägt sein mögen – eines ist sicher: 2017 wird nicht bloß besonders spannend, sondern auch extrem unberechenbar. Das hat großteils mit einem einzigen Menschen zu tun, der letztlich die gesamte Weltordnung völlig neu gestalten könnte – und zwar durchaus nicht im wünschenswerten Sinn: Mit Donald Trump, der am 20. Jänner als 45. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wird, steht ein politischer Amateur vier Jahre lang an der Spitze der Weltmacht Nummer Eins, der als Risikofaktor ersten Ranges einzuschätzen ist. Wenn der ebenso erzkonservative wie populistische Immobilien-Tycoon tatsächlich all das umzusetzen versuchen wird, was er in seinem irren Wahlkampf in Form von mehrheitlich absurden Parolen angedroht hat, dann ist weltweit mit prekären Folgen zu rechnen.
„Oranges Arschgesicht“
Die USA, die er wieder größer und stärker zu machen versprach, sind mit Sicherheit ein gespaltenes Land, seit dieser aggressive Selbstdarsteller am 4. November die Wahl gewann, obwohl er 2,6 Millionen Stimmen weniger erhielt als seine Rivalin Hillary Clinton. Vielen Amerikanern gibt es massiv zu denken, dass russische Hacker laut Hinweisen der amerikanischen Geheimdienste das Ergebnis manipuliert haben. Auch die Nominierung eines politisch völlig unerfahrenen Top-Managers und Putin-Spezis als Außenminister hat, ebenso wie die Auswahl weiterer Minister der künftigen Trump-Administration, für breites Unverständnis gesorgt. Deshalb zeigen sich laut einer Umfrage des Senders NBC und des „Wall Street Journal“ 54 Prozent der Amerikaner über Trumps Präsidentschaft besorgt oder zumindest unsicher – bei Barack Obama waren es seinerzeit nur 34 Prozent. In den Social Media tauchten in den vergangenen Wochen lawinenartig negative Kommentare auf – einer postet beispielsweise: „Jeder Tag, an dem ich sein lügendes, betrügendes, xenophobes, frauenfeindliches oranges Arschgesicht nicht sehen muss, ist ein großartiger Tag.“
Ob der Slogan „Make America great again“ lediglich ein billiger Schmäh war, wird sich wohl bald weisen. Der präsidiale Sprücheklopfer hatte sich zwar zum Schutzpatron der Armen ernannt und einen gnadenlosen Kampf gegen das so genannte Establishment ausgerufen, doch in seinem künftigen Team wimmelt es nur so vor Milliardären, Goldman Sachs-Profis, steinreichen Spitzenmanagern und greisen Ex-Generälen, die sich vermutlich herzlich wenig um die Anliegen des kleinen Mannes kümmern werden. Die Troubles der Immigranten, an denen Trump kein gutes Haar lässt, müssen automatisch zunehmen, und die Rassenkonflikte im Land werden sich wohl oder übel verschärfen. Die geplante politische und wirtschaftliche Abschottung der Staaten muss zu noch größeren Spannungen, etwa im Fall Mexiko, führen und wird zugleich den von weltweiten Exporten abhängigen US-Multis massiv schaden. Falls das als „Obamacare“ bekannte Bundesgesetz, das einen breiteren Zugang zur Krankenversicherung regelt, tatsächlich wie angekündigt gekappt wird, werden das zig Millionen Amerikaner, allen voran aus ärmeren Bevölkerungskreisen, zu spüren bekommen.
Trump wird, wie’s aussieht, auch für eine gewaltige außenpolitische Zäsur sorgen – freilich mit ungewissen Konsequenzen, die seinem Land ganz und gar nicht zum Vorteil gereichen könnten. Obzwar sich, zumindest theoretisch, eine Entspannung im Verhältnis USA – Russland abzeichnet, ist noch längst nicht abgemacht, dass zwei Alpha-Tiere wie Trump und Putin, dem es primär um ein Ende der Sanktionen gehen dürfte, langfristig halbwegs harmonisch zusammenarbeiten können. Kurzfristig deutet daher gar nichts darauf hin, dass etwa der Bürgerkrieg in Syrien endlich am Verhandlungsweg beendet werden kann. Und es ist obendrein eine Illusion, dass der neue US-Präsident im Stande wäre, den internationalen Terror auch nur halbwegs in den Griff zu kriegen, indem er etwa die Kellermiliz Islamischer Staat – wie auch immer – ausschaltet.
Polit-Profi gegen Polit-Amateur
Vladimir Putin, der kürzlich vom US-Magazin „Time“ unverständlicher Weise erneut zum „Man of the Year“ gekürt worden ist, wird als schlauer Polit-Fuchs mit dem politisch völlig unerfahrenen Gegenüber leichtes Spiel haben. Das wiederum passt so gar nicht ins Konzept der Europäischen Union, die bislang mit den Amerikanern in politischer, militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht eine starke Achse gebildet hat. Es ist davon auszugehen, dass Mister Trump kein besonders gutes Verhältnis zu Angela Merkel oder Theresa May pflegen wird – letztere könnte mit ihrem angepeilten Brexit bald vollends im Regen stehen. Dass das langmächtig vorbereitete Handelsabkommen TTIP nunmehr endgültig Makulatur ist, kann – trotz aller Kritik daran – auch nicht gerade die oberste Intention der Europäer sein. Genauso viele Fragezeichen ranken sich um die Zukunft der Nato, von der Trump derart herzlich wenig zu halten scheint, dass er die einschlägigen Ausgaben für das transatlantische Verteidigungsbündnis drastisch reduzieren könnte.
Putin wiederum, dem nunmehr zum Beispiel die Ukraine ausgeliefert sein könnte und der etwa im Baltikum als Bedrohung erlebt wird, dürfte es ziemlich gut gefallen, dass der neue Herr im Weißen Haus den politischen Rechtsruck in Europa verstärken könnte. Der Republikaner Trump liegt mit autoritären Machthabern wie Viktor Organ (Ungarn), Jarosław Kaczyński (Polen) oder Recep Tayyip Erdogan (Türkei) so ziemlich auf einer Linie, und obendrein scheint er Rechtsextremen wie Marine LePen (Frankreich) oder Geert Wilders (Niederlande) mit seinem überraschenden Wahlsieg Rückenwind zu verleihen. Dass Trump obendrein bereits – wenn auch nur via Handy – den blutrünstigen philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte kontaktiert und auch mit der von den USA stets ignorierten Präsidentin Taiwans, Tsai Ing-wen, parliert hat, wurde beinahe weltweit mit Fassungslosigkeit kommentiert. Fehlt nur noch, dass er sich sogar mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un verbrüdert…
Kommt Allianz EU-China?
Die chinesische Führung muss sich allmählich mit dem Gedanken anfreunden, dass Trump, der die jahrzehntelange „One-China-Policy“ der USA blitzartig über den Haufen zu werfen bereit ist, ziemlich wenig von künftig gedeihlichen Kontakten zwischen den beiden Supermächten zu halten scheint. Wie naiv er allerdings agiert, zeigt sich daran, dass er aus dem zwischen der Regierung Obama und elf Pazifik-Anrainerstaaten geschlossenen Freihandelsabkommen TPP, mit dem die Vormachtstellung Chinas im transpazifischen Raum gebrochen werden soll, schleunigst wieder aussteigen möchte – was Peking naturgemäß hoch erfreuen würde. Frostige Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten, die künftig offenbar nicht mehr die Rolle des obersten Weltpolizisten zu spielen gedenken, und der Volksrepublik würden zwar vermutlich nicht prompt zu militärischen Konfrontationen führen, doch zumindest zu jeder Menge gegenseitiger Provokationen, die da wie dort auf dem Rücken arbeitslos werdender Arbeitnehmer ausgetragen werden. Ein schärfer werdender Wirtschaftskrieg, bei dem die Chinesen gar nicht so schlechte Karten hätten, scheint demnach ausgemachte Sache zu sein – falls, ja falls Trump nicht doch noch einsichtig wird, Vernunft walten lässt und seine angekündigten Pläne rechtzeitig modifiziert oder besser gänzlich vergisst.
Für die Europäische Union bedeutet all das, was sich nunmehr abzeichnet, jedenfalls eines: Die 27 verbleibenden Mitgliedsstaaten werden sich wohl nicht mehr auf den großen Bruder jenseits des Atlantiks verlassen können, sondern müssten unbedingt näher zusammenrücken, ihre nationalistischen Allüren weitgehend vergessen, um sich nicht noch länger konsequent zu schwächen. Die vier wichtigsten Knackpunkte bei den künftigen einstimmigen Entscheidungen werden sein, wie es mit den Sanktionen gegenüber Russland weiter geht, wie die Flüchtlingsproblematik doch noch gemeinsam zu lösen wäre, wie das sehr angespannte Verhältnis zur Türkei geregelt werden und wie sich die EU im Syrien-Konflikt optimal verhalten soll. Europa, das ab sofort in vielerlei Hinsicht selbstbewusster auftreten und etwa beim Klimaschutz eine führende Rolle übernehmen müsste, hat in wirtschaftlichen Belangen unter anderem die Option, seine Drähte zu China zum beidseitigen Vorteil zu intensivieren. Es gilt, dem politischen Newcomer im Weißen Haus zu signalisieren, dass sich die Erde weiter dreht, auch wenn er noch so spinnt. Und dass es ungleich besser für ihn und sein Land wäre, die Spinnereien so rasch wie möglich einzustellen. Aber wer weiß: Vielleicht bremst sich Donald Trump ein und erledigt seinen Job halbwegs akzeptabel – schließlich hat das auch Ronald Reagan, der aus der Schauspielerei kommende Ex-Präsident der Republikaner, geschafft…