Arbeitslosigkeit gilt zusehends als Kernproblem Europas. Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht. Sparprogramme sind an der Tagesordnung, dabei wäre gerade jetzt ein guter Zeitpunkt für neue Investitionen. Rein theoretisch natürlich, denn wie so oft fehlt es an den entsprechenden Rahmenbedingungen.
[[image1]]Die Wirtschaftskrise hat besonders jene Länder hart getroffen, in denen Sozialpartner nicht in das laufende Tagesgeschehen eingebunden sind. Mit dieser Aussage eröffnet Hannes Swoboda, Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament seine Ausführungen zur Rolle der Sozialpartner in Krisenzeiten. Während diese auf nationaler Ebene nicht mehr wegzudenken sind, sieht es auf europäischer Ebene anders aus: Der Bekanntheitsgrad tendiert nahezu Richtung unbekannt. Nur wenige Bedienstete in Brüssel können mit dem Begriff Sozialpartner auch nur irgendetwas anfangen, im Bereich Wirtschaft herrscht überhaupt betretenes Schweigen, wenn Sozialpartner zur Sprache kommen, tönt es aus prominenten Insiderkreisen. Das klingt ganz nach Imageproblem. Eine Expertenrunde mit Anna Maria Hochhauser, Generalsekretärin der Wirtschaftskammer Österreich, Josef Muchitsch, Abg. Z. NR, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz sowie Gertrude Tumpel-Gugerell, ehemaliges Direktoriumsmitglied, Europäische Zentralbank analysiert die Lage.
Flexibilität ja. Aber keine blinde Liberalisierung
Die nicht gerade optimale Position der Sozialpartner auf europäischer Ebene dürfte auf das Framework der Union zurückzuführen sein, die institutionellen Voraussetzungen sind nicht unbedingt gegeben. In vielen Ländern weisen Produktivitätsleistung und Löhne unterschiedliche Entwicklungen auf, die durch Billiglohnkonkurrenz aus Fernost zusätzlich angeheizt wird. Der Billiglohnsektor boomt, die Ungleichheiten werden grösser und grösser. Über Arbeitszeiten wird erst gar nicht geredet, obwohl viele Experten gerade in deren Verkürzung große Hoffnung auf neue Arbeitsplätze setzen. Doch wie die Praxis zeigt, funktioniert auch das nicht.
Lohnentwicklung versus Produktivität
Griechenland brilliert mit einer aufgeblasenen Verwaltung, die Immobilienblase in Spanien haben all jene, deren Traum ein Feriendomizil im Süden war, mit zu verantworten. Löhne und Produktivität müssen parallele Tendenzen aufweisen, sonst ist der Crash vorprogrammiert. Die Arbeitslosenzahlen der südlichen Länder beweisen es, eine tendenzielle Trendwende ist nicht zu erkennen. Die Möglichkeiten der Sozialpartner, steuernd oder zumindest ausgleichend zu wirken, ist nicht unbedingt gegeben, deren Stärke ist auf überwiegend nationaler Ebene zu finden, obwohl man in Summe gesehen auch auf europäischer Ebene durchaus gut aufgestellt sein könnte, so H. Swoboda zur aktuellen Lage.
Leute halten – auch in der Krise
Der Arbeitsmarkt entwickelt sich quer durch Europa zum Sorgenkind. Österreich und Deutschland sind noch vergleichsweise gut aufgestellt. Das duale Ausbildungssystem wirkt, die ausgleichende Kraft der Sozialpartner zeigt Wirkung. In Frankreich werden die Sozialpartner schön langsam ins Boot geholt, die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften beginnt. Ein offenes, kritikfähiges System der Sozialpartnerschaft ist die erforderliche Basis für weitere Schritte, der komplexe und sehr zeitaufwendige Entwicklungsprozess in diesen Ländern hat eben erst begonnen.
Herausforderung: Wachstum und Beschäftigung
Obwohl Österreich aus Sicht von A.-M. Hochhauser durchaus solide aufgestellt ist, gibt es wenig Grund zu echter Freude. Die EU wieder auf Wachstumskurs zu bringen ist Gebot der Stunde. Ohne Sozialpartner hätte die Krise weitaus drastischer Konsequenzen verursacht, Solidarität macht sich bezahlt. Die Strategie der Internationalisierung trägt Früchte, während Exporte in der EU stagnieren. Die Arbeitslosenzahlen sind mit strukturellen nationalen Problemen, denen man sich nicht länger Schließen darf begründet, Wachstum und Beschäftigung sind die zentrale Herausforderung. Es geht jetzt darum, die Sozialpartner auf europäischer Ebene zu etablieren. Konstruktive Sozialpartner sind gefragt, die Mitgliedstaaten müssen von den Vorteilen überzeugt werden, Hilfestellung nach Best Practise Methode ist die sinnvollste Art der Starthilfe nebst entsprechender Beratungsleistung. Eine Stärkung auf europäischer Ebene funktioniert ausschließlich über den Dialog, es geht letztendlich um Vertrauen und Verantwortung.
Kaputtsparen gilt nicht
Ausbildung und Qualifikation sind die tragenden Säulen der Wirtschaft, das Bildungsfundament muss halten. Auch wenn der Rotstift durch die Lande zieht, irgendwann ist genug, jetzt muss investiert werden. Europa hat sich als Friedensprojekt bestens bewährt, die Wirtschaftsunion steht. Von einer Beschäftigungsunion sind wir jedoch noch weit entfernt. Zudem kommt das fehlende Vertrauen in die EU, so J. Muchitsch, der zugleich den Niveauausgleich der Löhne in den Nachbarländern einmahnt. Die Kluft zwischen Osten und Westen wird tiefer und tiefer, es braucht einheitliche Rahmenbedingungen und faire Verhältnisse. Bis die EU funktioniert wie geplant wird wohl noch etwas dauern. Diese müsste Massnahmen zulassen, damit Nettozahler schneller wieder auf die Beine kommen. Die Kritik ist nicht zu überhören, mit Dumpinglöhnen ist kein Hof zu machen.
Steigende Arbeitslosigkeit im Kontrast zu dem vielfach bemängelten Facharbeitermangel lässt auf eklatante strukturelle Probleme Schließen. Wachstum auf Kosten anderer funktioniert nicht, der gemeinsame Weg ist die einzig sinnvolle Lösung. Es geht um Verantwortung. Und damit sind einmal mehr die Sozialpartner im Spiel. Die EU kann nur das machen, was man ihr an Kompetenzen einräumt.