Das erste Budget der neuen Regierung hat eine Reihe von Zukunftsfragen offengelassen. Es gibt aber einige interessante Gründe, warum man darin noch echte Highlights und so genannte Leuchtturmprojekte vermisst.
Die neue Regierung kann nach den ersten 100 Tagen im Amt mit der öffentlichen wie auch veröffentlichten Meinung zufrieden sein. Geht es nach dem IMAS-Institut so hat das Pendel von der alten zur neuen Regierung umgeschlagen. Im November 2016, als der Bundeskanzler noch Christian Kern und sein Vize Reinhold Mitterlehner hieß, waren 62 Prozent der Wähler und nur 27 Prozent insgesamt mit der Regierung zufrieden. Jetzt nach den ersten Tagen der von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache geführten Koalition stellen 59 Prozent der Regierungsarbeit ein gutes Zeugnis aus, während 37 Prozent sich mit ihr nicht anfreunden können. Sogar unter den SPÖ Wählern halten sich die positiven und die kritischen Stimmen mit 39 zu 40 Prozent die Waage.
Kern weint türkis-roter Koalition Tränen nach
Dem Stimmungsbild in der Öffentlichkeit entsprechen auch die Kommentare in den Zeitungen. Sie bescheinigen der neuen Regierung eine „substantiell bürgerliche Politik“ zu betreiben. Entgegen allen Warnungen vor allem von linker Seite gegen das türkis-blaue Bündnis ist „die Welt nicht untergegangen, wie die Apokalyptiker prophezeit haben“. Und auch „das Veränderungs-Image, das sich Sebastian Kurz in den vergangenen Jahren aufgebaut hat, hat noch nicht gelitten“. Das beste Zeugnis hat wohl der SPÖ-Vorsitzende Christian Kern ausgestellt. In einem Interview ließ er erkennen, dass er gern an Bord wäre, will er doch nun plötzlich zu einer Koalition mit Kurz bereit gewesen sein. Davon, dass er über Monate die ÖVP vor den Kopf stieß, verlor er freilich kein Wort.
Umso mehr war die Spannung in Hinblick auf die Vorstellung des ersten Budgets der neuen Regierung, das gleich für zwei Jahre gilt, aufgebaut worden. Immerhin handelt es sich beim Budget gewissermaßen um die in Zahlen gegossene Politik. Und hier haben sich Kurz und Strache mit ihrem Regierungsprogramm eine hohe Latte gelegt. Die Kernaussage von Finanzminister Hartwig Löger gipfelte dann im Grunde genommen in der Aussage, dass es erstmals nach 65 Jahren im kommenden Jahr einen Budgetüberschuss geben wird und dass man eine Haushaltspolitik nach dem Grundsatz „mehr einnehmen als ausgeben“ betreiben will.
Keine „Strafaktion“ gegen FPÖ geführte Ressorts
Die argumentativ gut aufbereitete Rede („Wir starten in eine neue Zukunft“) konnte freilich nicht vergessen machen, dass zwar einige Reformen (Erhöhung der Familienbeihilfe, mehr Geld für die Bildung und für die Polizei sowie Reduzierung der Ausgaben für Asyl und Migration) in Angriff genommen werden, aber die so genannten Highlights fehlen. Auffallend waren vor allem für einige Beobachter mangelnde Dotierungen in einigen Ressorts. Diese betreffen vor allem das Verteidigungs-, das Verkehrs- und Infrastruktur- sowie das Gesundheitsministerium. Da alle drei von FPÖ-Mitgliedern geführt werden, wurde auch schon geargwöhnt, dass der ÖVP-Finanzminister gerade bei ihnen den Sparstift ansetzen wolle. Ein Argument, dass von der engeren Umgebung Lögers mit Nachdruck zurückgewiesen wird. Nicht nur das, man verweist vor allem darauf, dass das Budget in engster Abstimmung mit dem freiheitlichen Staatssekretär Hubert Fuchs erstellt wurde.
Neue Budgetpolitik als Sisyphusarbeit
Und man hat auch eine plausible Erklärung dafür zur Hand, warum man im Budget die großen Highlights vermisst. Dafür werden drei Gründe angeführt. Erstens müssen sich die doch mit sehr vielen jungen neuen Mitarbeitern besetzten Ministerkabinette mit der eingesessenen Beamtenschaft erst zusammenfinden, sich abstimmen und Vertrauen schaffen. Dazu kommt auch noch das Rollenspiel der neuen Generalsekretäre mit den weiterhin mächtigen Sektionschefs. Zweitens war einfach die Zeit von kaum drei Monaten wirklich nicht ausreichend, um die großen Vorhaben in Angriff zu nehmen, ohne dabei in den Fehler einer Husch-Pfusch-Politik zu verfallen. Und drittens sind eine Reihe von Problemen aufgetaucht, die erst einer Lösung zugeführt werden müssen, ehe man den nächsten Schritt setzen kann.
Bundesheer darf auf mehr Mittel hoffen
Ein solcher Bereich ist das Bundesheer. Gerade hier ist eine gewisse Enttäuschung unverkennbar. Umso mehr als bereits SPÖ-Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil nach der desaströsen Ära von Gerald Klug den Heeresangehörigen wieder Hoffnung auf mehr finanzielle Mittel und damit eine Aufwertung dieses für die Sicherheit so wichtigen Bereichs gegeben hat. Dass es nun noch Verhandlungen geben wird, um eine Nachbesserung des Budgets sicherzustellen, hat für eine erste Besserung der Stimmungslage gesorgt. Tatsächlich sieht sich Mario Kunasek aber noch mit dem Problem konfrontiert, dass der Budgetposten Luftraumüberwachung eine schwere Last darstellt. Und hier wird es in den nächsten Monaten noch ganz intensive Verhandlungen geben, um wieder mehr budgetären Spielraum zu schaffen.
Die 22 SVA’s wehren sich gegen Reform
Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein hat gleich an zwei schweren Fronten zu kämpfen. Das betrifft einerseits den Pflegeregress, dessen Abschaffung noch in der letzten Parlamentssitzung entgegen den Warnungen der Experten als „Wahlzuckerl“ beschlossen wurde und jetzt dazu führt, dass die Bundesländer den Bund für die Finanzierung der Pflegeheime zur Kasse bitten wollen. Nun hat sich die Regierung die Reform der Pflege zwar als große Aufgabe vorgenommen, aber kein schlüssiges Finanzierungskonzept zur Hand, das vor allem auch dem Wunsch nach Unterstützung der Hauspflege nachkommt. Andererseits zeigt sich, dass das Vorhaben der Reform der derzeit 22 Sozialversicherungsträger eine weitaus schwierigere Agenda darstellt als angenommen. Wehren sich doch viele dieser Institutionen gegen ihre Abschaffung beziehungsweise Fusion und führen alle möglichen Argumente dagegen ins Treffen.
Digitalisierung verlangt nach Koordinierung
Ein Spezialfall ist die Causa Digitalisierung. Da haben ÖVP und SPÖ während der Regierungsverhandlungen mit der Einführung der so genannten Bürgerkarte aufhorchen lassen. Dabei geht es darum, dass nicht nur alle relevanten Daten (von der Geburtsurkunde über den Staatsbürgerschaftsausweis bis zum Reisepass und Führerschein) elektronisch erfasst sondern in weiterer Folge auch alle Behördenwege gewissermaßen via Smartphone durchgeführt werden. Es ist dies letztlich nur die logische Konsequenz dessen, was vor zehn Jahren – übrigens auch unter einer schwarz-blauen Regierung – mit der eCard geschaffen wurde und bis heute als Vorzeigeprojekt in Europa gilt.
Das Problem beim Eintritt in die Welt der Digitalisierung betrifft weniger die Entwicklung einer solchen Bürgerkarte, als die Bereitstellung der finanziellen Mittel (der Ausbau des Breitbandsystems ist nur ein technischer Teilbereich) und vor allem die Koordination. Neben der Bürgerkarte gibt es nämlich auch eine eigene Mobilitätsplattform (wie zum Beispiel die App der ÖBB oder der Wiener Linien oder der diversen Verkehrsverbünde), den weiteren Ausbau der eCard, die Einführung einer eigenen Bauarbeiter-Card zur Bekämpfung des Sozialbetrugs, etc. etc. An sich gibt es mit dem BMDW ein eigenes Ministerium für Wirtschaft und eben Digitalisierung. Tatsächlich aber hat faktisch jedes Ministerium eine eigene Digitalisierungsabteilung und einen Chief Digital Officer (CDO). Und so kommt es dazu, dass unter anderem für die Bürgerkarte das Innenministerium, für das Bundesrechenzentrum das Finanzministerium, für die Mobilitätsplattform des Verkehrs- und Infrastrukturministerium zuständig ist. Es wird noch seine Zeit brauchen, bis das alles unter einem Dach ist. Und ohne einen überparteilichen, fachlich kompetenten Koordinator wird es da schlussendlich auch nicht abgehen.
Rentenreform zur nationalen Frage erklärt
Das wohl heikelste Thema dieser Regierung betrifft die an sich unerlässliche Pensionsreform. Sie wurde – sieht man vom Hinaufsetzen der Altersteilzeit ab – sehr vorsichtig im Budget behandelt. Wie mit Samthandschuhen angefasst. Und das hat seinen Grund, hatte doch die SPÖ in der Vergangenheit das Pensionsthema immer benutzt, um der ÖVP das Image eines möglichen Rentenchaos um den Hals zu hängen. Die Ausgaben für die Sicherung der Pensionen machen derzeit bereits 13,8 Prozent des BIP aus. Und hier hat Löger in seiner Budgetrede einen Satz formuliert, der in der Berichterstattung fast untergegangen ist: „Wenn wir nicht bald auf die Entwicklungen reagieren, könnten das System und damit die Menschen leiden“. Um die Rentenreform nicht zu einem Krieg der Generationen ausarten zu lassen, soll sie daher zu einer „nationalen Frage“ erklärt werden. Man darf gespannt sein, ob die Opposition diesen Appell aufgreift.