Donnerstag, 21. November 2024
Startseite / Allgemein / Zwingen Amerikas Sanktionen Russland in die Knie?

Zwingen Amerikas Sanktionen Russland in die Knie?

Bild: © CC/pixnio (Ausschnitt)

Europas lauwarme Mini-Sanktionen wegen der Eroberung der Krim haben Putin nur bestärkt. Jetzt droht der US-Kongress erstmals auch europäischen Firmen saftige Strafen an. Was OMV und Voest Alpine mit „Nord Stream“ trifft.

Die einzigen „echten“ Sanktionen im Russland-Ukraine-Konflikt waren bisher jene des „Täters“, Russland gegen Europa, den Beschützer des „Opfers“. Nämlich Putins Importstopp für Lebensmittel „Made in EU“. Er traf Mitgliedsstaaten wie Polen und Ungarn schwer.

Europas Sanktionen gegen Russland hingegen kratzten niemanden, das Wehklagen der russischen Presse war nur vorgespielt [1].

„Sanktiönchen“ unwirksam

Das großspurige „Verbot europäischer Militärexporte“ nach Russland war bedeutungslos – weil es sie schon vorher kaum gegeben hatte. Und auch beim „Importstopp von Krim-Produkten“ blieb der Schmerz wohl überschaubar: Nun gehen die paar Tausend Flaschen Sekt eben nach Moskau statt nach Paris – na und?

Der „Export-Stopp von Öl- und Gasfeld-Ausrüstungen“ traf schon härter. Allerdings traf er auf einen Sektor, der in den fetten Jahren auf den letzten Stand gebracht worden war. Hiervon kann man noch lange zehren.

Dass auch das „Finanzierungsverbot russischer Banken“ wirkungslos war, beweisen schon die guten Geschäfte der österreichischen „Raiffeisen International“ vor Ort. Und wie leicht EU-Firmen das „Investitionsverbot auf der Krim“ umschiffen, demonstrieren zwei Siemens-Gasturbinen, die – statt wie vereinbart auf der südrussischen Halbinsel Taman – nun auf der Krim montiert werden.

Nabiullina sei Dank!

Einzig die fallenden Ölpreise, und dank der frisch eröffneten US-Flüssiggasterminals in Nordeuropa,  auch die fallenden Gaspreise, hatten Putins Wirtschaft geschadet. Hätten, eigentlich. Denn Russlands Zentralbank-Chefin Elvira Nabiullina – in England jüngst zur Bankerin des Jahres gewählt [2] – ließ den Rubel kontrolliert abstürzen. Von 38 Rubel (für einen Dollar) Mitte 2014 bis auf über 80 Rubel Ende 2015. Heute hat er sich bei ca. 55 eingependelt – und die Inflation so nebenbei auf unter 6% halbiert [3].

Was Europas Presse schon als Untergang des Aggressors gefeiert hatte, entpuppte sich als Stimulationsprogramm der russischen Wirtschaft. Denn EU-Importe waren inzwischen entweder verboten („Lebensmittel“) oder aufgrund des Rubelverfalles zu teuer geworden. Russlands Industrie sah ihre Chance und sprang in diese Lücke.

Und Russlands Ölindustrie? Ihr verhalf der Rubelabsturz zu historisch einzigartigen Milliarden-Profiten (und Putin zu ebensolchen Steuereinnahmen). Denn „Gazprom und Co“ verkaufen Öl und Gas gegen teure Dollars in den Westen, bezahlen Mitarbeiter aber in billigen Rubel.

Jetzt wird´s aber ernst

Warum jetzt also die Verschärfung der Sanktionen durch den Kongress? Sie hat ihren Ursprung einerseits in der vermuteten Nähe Trumps zur Kreml-Führung, aber auch in Putins rücksichtsloser Syrienpolitik. Beide Kammern (Repräsentantenhaus und Senat) stimmten – parteienübergreifend – mit überwältigender Mehrheit (419:3 Stimmen im Repräsentantenhaus) für das 184-Seiten-Werk. Trump hatte zähneknirschend zu unterschreiben.

  • – Nun sind die alten, jährlich neu zu beschließenden Sanktionen langfristig in Stein gemeißelt, und sie gelten auch gegen den Iran und Nordkorea.
  • – Das Gesetz richtet sich gegen alle Investitionen in Russlands Energiesektor, nennt Projekte wie „Nord Stream II“ sogar explizit beim Name
  • – Wahrscheinlich kommen noch Sektoren wie Eisenbahn, Bergbau und Metall dazu.
  • – Es sanktioniert westliche Großinvestoren („Banken“), wenn sie sich an russischen Privatisierungen beteiligen.
  • – Und es friert nun nicht nur das Vermögen Kreml-naher Einzelpersonen ein, sondern auch das Vermögen ihrer Familien. 
  • – Die neuen Sanktionen richten sich erstmals ausdrücklich auch gegen Nicht-US-Personen.
  • – Und: Im Gegensatz zu bisher drohen empfindliche Strafen.

Strafen gegen Siemens, OMV und Voest?

Vor allem der letzte Punkt könnte für Europa großes Ungemach bedeuten. Im Fall der Siemens-Turbinen auf der Halbinsel Krim drohen dem deutschen Konzern Strafen vor US-Gerichten.

Glimpflich dürfte es bei „Nord Stream II“ ausgehen. Das 10-Milliarden-Euro-Pipeline-Projekt soll Länder wie Polen und die Ukraine umgehen und Mitteleuropa von billigem Russengas abhängig machen. Hier sieht das neue US-Gesetz Konsequenzen aber nur für Bauleistungen „innerhalb“ Russlands vor – nicht aber zwingend für die „Eigentümer“. Neben der OMV sind das noch Shell (GB/NL), Engie (F)[4], Uniper (D)[5] und Wintershall (D). Ob und wie stark gestraft wird, das entscheidet Präsident Trump. Und der lässt durchsickern, mit seinen europäischen Partnern zusammenarbeiten zu wollen.

Für die Voest Alpine als Lieferant von Röhrenblechen sieht es da schon schlimmerer aus. Ihre Produkte landen auf russischen Baustellen, und mit ihrem wichtigen US-Geschäft (und ihrem neuen Großstandort in Texas) sind sie für US-Gerichte gut erreichbar.

Roten Lampen leuchten aber bei den Banken auf. Sie müssen ihre Filialnetze noch schärfer kontrollieren, um nur ja nicht in Ölsektor-Deals verwickelt zu werden. Wie etwa in „Nord Stream II“.

„Heizen kommt vor Moral“

Wie komfortabel waren Europas Sanktionen doch bisher gewesen: Im Westen glaubte die Öffentlichkeit, den Bösewicht hinreichend bestraft zu haben, und genoss derweil sorgenfrei Russlands Energie. Nun haben die US-Sanktionen Europa aber aufgescheucht. Zwar wurden die neuen Sanktionen so gestaltet, dass sie von Trump nicht revidiert werden können – man hat dem Präsidenten aber genug Spielraum gelassen, wie „heiß“ er diese auslegen möchte.

Vielleicht sollte Europa – anstatt reflexartig wieder auf Amerika einzudreschen – eine konstruktivere Basis zu Trumps Amerika suchen. Oder aber könnte es sich an die Ursache für die Existenz der Europäischen Union erinnern: Nämlich, dass kriegstrunkene Diktatoren nie wieder ungestraft das Territorium unschuldiger Nachbarn (wenigstens in Europa) erobern dürfen.

Und dass Menschen wie Putin oder Napoleon oder Russlands Zaren historisch immer erst dann zu Kompromissen bereit waren, wenn es zu Hause wehgetan hatte.

 


[1] Die meisten galten ab dem 31.7.2014.

[2] Von der britischen Fachzeitschrift „The Banker“.

[3] „Russlands Zentralbank-Chefin zur Bankerin des Jahres gewählt“, www.deutsche-wirtschafts-nachrichten.de, 6.1.2017.

[4] So nennt sich der französische Energiekonzern GDF/Suez seit kurzem.

[5] 47%-Tochter des deutschen EON-Konzerns. In ihr ist das gesamte Energiegeschäft (ohne Atom) gebündelt.

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Das könnte Sie auch interessieren

OLG Wien – 03. Oktober 2024 – Freispruch für Prof. Gert Schmidt und Mitangeklagten

OLG Wien – 03. Oktober 2024 – Freispruch für Prof. Gert Schmidt und Mitangeklagten

  Mag. Timo Gerersdorfer ist Rechtsanwalt und Strafverteidiger und hat Prof. Gert Schmidt vertreten. Kommentar …