Während der Tabubruch mit der Einlagensicherung bereits unwiderruflich erfolgt ist, könnte der Ausgang des Experiments einer unkontrollierten Eurozonenpleite ebenfalls noch unschöne Überraschungen bringen.
[[image1]]Erinnern wie uns an die 1930er Jahre. Nachdem in den Jahren nach dem Börsencrash von 1929 in den USA fast die Hälfte aller Banken Pleite gegangen war, wurden zwei wesentliche Sicherungsmaßnahmen eingeführt. So wurde einerseits die Funktion der Notenbank Fed gestärkt, solvente Banken im Krisenfall mit Liquidität versorgen zu können, noch wichtiger aber war die Einführung einer staatlichen Einlagensicherung, die jedem US-Amerikaner Bankguthaben bis zu einer bestimmten Summe garantierte.
Retail-Bank-run galt als undenkbar
Dieses System wurde von allen Industriestaaten übernommen und hatte bis zuletzt weitgehend verhindert, dass sich im Krisenfall – wie in den 1930er Jahren – vor den Bankschaltern lange Schlangen der sogenannten Retail-Kunden bildeten. Die Logik ist klar. Wenn es das Kerngeschäft einer Bank ist, kurzfristige Einlagen auf Konten und Sparbüchern zu halten und damit langfristige Kredite zu vergeben, kann sie keinen Bank-run überstehen, bei dem diese Einlagen plötzlich abgezogen werden. Immerhin wäre es für die Kunden ohne Einlagensicherung ökonomisch zwingend rational, etwaige Guthaben sofort auf andere Institute zu transferieren, sobald auch nur Gerüchte über Solvenzprobleme einer Bank auftauchen. Die Banken würden jedenfalls bis zuletzt alle Forderungen erfüllen, und wer sich dann nicht anstellt, bleibt über – was in den Krisenjahren 2008/2009 durchaus auch die im Osten exponierten heimischen Banken hätte treffen können. Während aber die kurzfristigen Interbank-Finanzierungen tatsächlich massiv unter Druck geraten waren, blieb die Masse der Privatkundeneinlagen so gut wie unberührt. Denn für ein zivilisiertes Land war es so gut wie undenkbar, dass die privaten Ersparnisse – die, wie man in der Schule gelernt hatte, nicht unter die Matzratze sondern auf die Bank gehörten – in Gefahr geraten könnten, wie Politiker und Notenbanker jedenfalls unablässig beteuern
Tabubruch Eurozonen-Staatspleite
Nachdem die EU-Granden – Kommission, Regierungschefs und EZB – nun aber eine Beteiligung aller zypriotischen Sparer zur Bedingung für EU-Zahlungen an Zypern gemacht hätten, wurde diese Sicherheit wohl ebenso unwiderruflich unterminiert, wie vor drei Jahren die Sicherheit, dass ein Eurozonenstaat nicht pleite gehen könne. Denn auch das hatten Kommission, Regierungschefs und EZB bis zuletzt in Abrede gestellt und geschworen, dies in jedem Fall zu verhindern. Was auch irgendwie verständlich war, weil diese vermeintliche Tatsache lange die Risikoaufschläge für Kredite an Länder wie Griechenland und Portugal bestimmt hatte, und die Eurozonenkrise ausbrach, als dies auf einmal nicht mehr gelten sollte.
Keine Einlagensicherung gegen Sondersteuer und Staatspleite
Nun haben die Finanz-Machthaber klar gemacht, dass in der Eurozone im Falle einer Staatspleite die Einlagensicherung nicht mehr gelten muss, und insbesondere auch dadurch ausgehebelt werden kann, dass einfach eine einmalige Abzugssteuer erhoben wird. Wer sein Geld dann rechtzeitig abgehoben und im Garten vergraben hat, kommt um diese Steuer herum, was bei den aktuellen Null-Zinsen zudem auch kaum etwas kostet. Angesichts des in den Krisenstaaten wohl sogar noch mehr als in Österreich fehlenden Vertrauens in die Politik, ist angesichts dieser neuen Realität kaum zu sehen, wie in den gefährdeten Ländern bei künftigem Aufflackern der Eurozonenkrise schwere Retail-Bank-runs verhindert werden sollen, und vermutlich werden sich auch in Österreich ein paar Leute dazu motivieren lassen, ihre Konten auszuräumen …
Finanzmärkte bleiben vorerst gelassen
Offen ist zudem die Frage der unmittelbaren Folgen für die Finanzmärkte, wo bislang Gelassenheit herrscht, jedenfalls haben die Aktienbörsen kaum reagiert und auch der Euro war letztlich durchaus stabil. Ähnlich ruhig waren die Märkte freilich auch vor der Lehman-Pleite erschienen, als sogar der damalige US-Finanzminister Paulson überzeugt gewesen war, dass die Märkte genug Zeit gehabt hätten, sich auf eine Pleite vorzubereiten, der als früherer Chairman der führenden Investmentbank Goldman-Sachs wohl besser über die Finanzmärkte hätte Bescheid wissen müssen, als jeder europäische Politiker.
Experiment am lebenden Patienten
Ob es auch diesmal zu überraschenden Tiefschlägen kommt, wird nun am lebenden Patienten ausprobiert, wobei die unmittelbaren Kreditbeziehungen der Zypriotischen Banken mit Griechenland sicherlich Schwierigkeiten bereiten werden, aber dort ist man ohnehin bereits jetzt ruiniert und so muss das nicht so hohe Wellen schlagen. Was hingegen keiner weiß, ist wie Zypern in das 40 Billionen Euro schwere globale Derivate-Netzwerk verstrickt ist, und welche Löcher es dort reißen könnte, aber auch hier erscheint bislang alles ruhig geblieben zu sein.
Bleibt also nur noch darauf zu hoffen, dass die Realität sich an den hoffnungsvollen Szenarien orientiert, denn allem Anschein nach sind die EU wie Zypern bereit, es darauf ankommen zu lassen.