Freitag, 27. Dezember 2024
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Zypern-Rettung lässt viele Fragen offen

Die Erleichterung über das am frühen Montag Morgen beschlossene Hilfspaket für Zypern hat nicht lange angehalten. Der Deal lässt wichtige Details offen. In Zypern herrscht Verunsicherung, da die Banken frühestens am Donnerstag wieder öffnen. Der Beschluss hat zudem die Atmosphäre zwischen den 17 Eurostaaten nachhaltig beschädigt.

[[image1]]Konkret weist der zweite Deal große Unterschiede  zur ersten Vereinbarung von Mitte März auf. Die Belastung von Anlegern mit bis zu 100.000 Euro ist vom Tisch. Allerdings lässt sich damit nicht der Schaden beheben, der durch den Tabubruch entstanden ist. Anleger in der Eurozone sind nachhaltig verunsichert, weil sie gesehen haben, dass die Politik bei Bedarf ihre eigenen Versprechen bricht.

Hohe Abschläge für Anleger über 100.000 Euro

Für die Sanierung des zypriotischen Bankensektors müssen nun jene haften, die bisher von den günstigen Anlagebedingungen im Land profitierten: Aktionäre, Anleihegläubiger und Einleger. Betroffen sind allerdings nur die beiden größten Banken des Landes, Bank of Cyprus und Laiki Bank. Laiki wird in eine „Bad Bank“ und eine „Good Bank“ aufgespalten. Die „Good Bank“ wird die Konten bis zu 100.000 Euro enthalten und werthaltige Vermögensgegenstände. Sie wird in die Bank of Cyprus überführt. Die „Bad Bank“ wird dagegen abgewickelt. Anleger mit mehr als 100.000 Euro in der Bank of Cyprus und Laiki müssen sich auf hohe Verluste gefasst machen. In den Medien kursieren Zahlen von bis zu 50 Prozent. Zyperns Präsident Anastasiadis hatte bei den Verhandlungen Mitte März einen Abschlag von 15 Prozent als zu hoch zurückgewiesen. Der Schnitt trifft nicht nur die viel zitierten Oligarchen, sondern die lokale Wirtschaft: Geschätzt 6000 zypriotische Unternehmen verlieren durch die Anlegerbelastung einen Teil ihres Kapitals.

Derzeit ist ungewiss, wie hoch die Einlagen bei den beiden Banken überhaupt noch sind. Trotz Kapitalkontrollen haben offenbar bedeutende Summen das Land verlassen, indem sie als Überweisungen für humanitäre Zwecke getarnt wurden. Konkrete Zahlen hat die Europäische Zentralbank bisher nicht genannt.

Präsident Anastasiadis kündigte in seiner Rede an die Nation am Montag an, dass die Kapitalkontrollen nur „vorübergehend“ verhängt würden. Finanzminister Michalis Sarris sprach dagegen davon, dass sie mehrere Wochen in Kraft bleiben könnten.

Zyperns Wirtschaft bricht ein

Zypern mag zwar gerettet sein, muss sich aber auf eine lange und tiefe Rezession einstellen. Das Brokerhaus Exotix rechnet in diesem Jahr mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung um zehn Prozent. Für das kommende Jahr erwartet Exotix ein weiteres deutliches Minus von acht Prozent. Die Arbeitslosenquote dürfte unter diesen Voraussetzungen auf weit über 20 Prozent steigen.

Nicht umsonst bezeichnet Zyperns Präsident Anastasiadis den Deal als „schmerzhaft“. Er gibt aber auch zu, dass es dazu keine Alternative gibt: „Angesichts der Position, in der wir uns befanden, gab es keine einfachen Lösungen mehr.“

Zypern wird durch den Deal verpflichtet, seinen Bankensektor, der bisher sieben Mal größer als das Bruttoinlandsprodukt ist, drastisch zu schrumpfen. Dieser Prozess ist durch die Belastung von Anlegern von alleine in Gang gekommen. Sobald die Kapitalverkehrskontrollen aufgehoben sind, dürfte in großem Stil Geld aus dem Land abfließen.

Aktuell ist unklar, wie Zyperns neues Geschäftsmodell aussehen könnte. Das Land verfügt bisher kaum über Industrie, eignet sich wegen mangelnder Rohstoffe auch nicht als Standort. Die Zyprioten setzen große Hoffnungen auf die 2011 entdeckten Gasvorkommen vor der Südküste. Allerdings könnte es etliche Jahre dauern, bis tatsächlich Gas gefördert werden kann. Experten zweifeln zudem die bisher kursierenden Schätzungen des Gesamtvolumens an.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble stellt die Zypern-Rettung als Sieg der Nordländer dar, die sich mit ihrer Forderung nach einer Beteiligung der Gläubiger durchgesetzt haben. Mit triumphierenden Äußerungen hat er allerdings die Euro-Partner nachhaltig verärgert. „Es ist immer so, es ist auch in Klassen so: Wenn man manchmal bessere Ergebnisse hat, sind die Anderen, die mehr Schwierigkeiten haben, auch ein bisschen neidisch“, sagte er am Montag Abend. In Südeuropa stießen die Worte auf Kritik.
Insgesamt wird Krisenmanagement im Fall Zypern von vielen Beobachtern sehr skeptisch gesehen. „Die Art, wie mit Zypern umgegangen wurde, ist nicht die Weise, wie wir in der EU verfahren sollten“, bemängelte Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments und kritisierte konkret die schlechte Kommunikation und den Mangel an Transparenz. „Der Euro ist in den Händen von Amateuren“ monierte der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Paul de Grauwe von der London School of Economics.

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